Wie können die Betriebsformen des Einzelhandels klassifiziert werden?

Um die Betriebsformen des Einzelhandels klassifizieren zu können und etwas Übersicht in dem äußerst heterogen strukturierten Wiederverkäufermarkt zu gewinnen, hat man bereits früh begonnen, nach Klassifikationen zu suchen, die Handelsbetriebe typologisieren.

Dazu bedarf es jedoch zugrundeliegender Kriterien. Dabei handelt es sich um die folgenden Kriterien zur Klassifizierung der Betriebsformen des Einzelhandels:

Sortimentsbreite

Die Sortimentsbreite gibt die Anzahl verschiedenartiger, additiver Artikel innerhalb des Handelsangebots wieder. Eine hohe Sortimentsbreite meint, dass der Handel viele verschiedenartige Warengruppen führt, und umgekehrt.

Sortimentstiefe

Die Sortimentstiefe gibt die Anzahl gleichartiger, alternativer Artikel innerhalb des Handelsangebots wieder Eine hohe Sortimentstiefe meint, dass der Handel viele verschiedene Varianten innerhalb einer Warengruppe führt, und umgekehrt.

Sortimentsniveau

Das Sortimentsniveau gibt den allgemeinen Qualitätslevel  wieder, auf dem das Warenangebot einzuordnen ist. Denkbar sind Abstufungen von anspruchslos, gediegen bis zu luxuriös, wobei die Spannweite mehr oder weniger groß sein kann.

Sortimentsinhalt

Der Sortimentsinhalt bezieht sich auf die wahrgenommene Artikelart, z. B. nach Kaufbedeutung, Warenselbstverkäuflichkeit, Entscheidungsbedeutung oder Kauffristigkeit. Das hat entscheidende Konsequenzen für das Profilmarketing des Handels.

Treueorientierung

Die Treueorientierung betrifft die Sortimentsausrichtung. Diese kann sich an Homogenität in Bezug auf gleiche Materialien, gleiches Wissen oder gleiche Problemlösung orientieren. Ziel ist dabei immer die Realisierung von Synergieeffekten.

Preisgestaltung

Die Preisgestaltung bezieht sich auf die geforderte Gegenleistung der Abnehmer für das Warenangebot. Denkbar sind hier Abstufungen von aggressiv über konventionell bis exklusiv, wobei diese Preise durchgängig starr oder flexibel gehalten sein können.

Beeinflussungs-Mix

Der Beeinflussungs-Mix umfasst das Profilmarketing des Handels, also Kommunikation, Konditionen und Service, die zur Kundengewinnung und -bindung eingesetzt werden. Da damit zugleich auch immer Kostenpositionen verbunden sind, können durchaus abweichende Politiken eingeschlagen werden.

Akquisitionsform

Betriebsformen des EinzelhandelsDie Akquisitionsform meint den Warenübergang und die Bedienung. Dabei kann nach Hol- (z. B. Laden- und Lagergeschäft) oder Bringprinzip (z. B. Haustür- und Versandhandel) unterschieden werden, wobei diese wiederum primär entnahme- (z. B. Selbstbedienung und Medien) oder übergabeorientiert (z. B. Fremdbedienung und Vorwahl) sein können.

Abgabeprinzip

Das Abgabeprinzip betrifft in verschiedenen Abstufungen die Erhältlichkeit angebotener Waren. Dies kann von undifferenzierter Verfügbarkeit (z. B. Automatenverkauf) bis zu unterschiedlicher persönlicher Privilegierung gehen (z.B. Mitarbeiter, Gewerbetreibende, Verbandsmitglieder).

Verkaufspunkt

Der Verkaufspunkt meint die Standortfixierung des Betriebs. Denkbar sind immobile Verkaufspunkte (z.B. in Form von Ladengeschäften) oder mobile Verkaufspunkte, wobei diese regelmäßig wiederkehrend (z. B. Wochenmarkt), regelmäßig wechselnd (z.B. Verkaufswagen) oder unregelmäßig wechselnd sein können (z. B. Hausierhandel).

Standortwahl

Die Standortwahl beschreibt die gewählte Geschäftslage. Bestimmend sind hier mikro- oder makroökonomische Kennzeichen, die zu zentraler Haupt- (City-) Lage, innerstädtischer Neben- (City-) Lage, Wohngebiets- (Stadtrand-) Lage, Rand- (Vorort-) Lage, Außenlage (grüne Wiese) führen.

Betriebsgröße

Die Betriebsgröße ist ein häufig genanntes Kriterium. Problematisch ist dabei einerseits der anzulegende Maßstab (Umsatz, Fläche, Mitarbeiterzahl), andererseits die Vermutung, dass diese eher Resultante des Betriebserfolgs denn Marketingaktionsparameter als solcher ist.

Integration

Die Integration betrifft die wirtschaftliche Organisation des Betriebs. Denkbar sind Ausprägungen wie der klassische Einzelbetrieb, filialisierte Betriebe an dezentralen Standorten in Handelsketten oder agglomerierte Betriebe in Gemeinschaftsstandorten.

Anbindung

Die Anbindung betrifft die rechtliche Einordnung des Betriebs. Denkbar sind die Ausprägungen der Selbstständigkeit oder der Abhängigkeit. Letztere kann durch horizontale (z.B. Konzernbildung) oder vertikale Anbindung (z.B. Kontraktmarketing) verursacht sein.

Güterart

Die Güterart schließlich setzt bei der Warentypologie an und charakterisiert die unterschiedlichen Waren, die das Sortiment des Handels ausmachen.

Welche konkreten Ausformungen der Betriebsformen des Einzelhandels gibt es?

Die Betriebsformen des Einzelhandels sind häufig vorkommende Kombinationen spezifischer Ausprägungen dieser genannten Kriterien. Dementsprechend lassen sich verschiedene prototypische Handelsgeschäfte unterscheiden, die im Folgenden anhand der wichtigsten Kriterien charakterisiert sind:

Fachgeschäft

(z. B. Spielwarenfachhandel)

  • eher enges, dafür tiefes Sortiment,
  • gediegenes Sortimentsniveau,
  • konventionelle Preisbildung,
  • zentrale Lage,
  • klein- bis mittelständische Betriebsgröße,
  • geringer Einfluss des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Service),
  • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung,
  • stationärer Einzelstandort,
  • Unabhängigkeit, evtl. horizontale Integration.

Spezialgeschäft

(z. B. Boutique, Juwelier)

  • engeres, dafür tieferes Sortiment als beim Fachgeschäft,
  • mindestens gediegenes, oft luxuriöses Sortimentsniveau,
  • exklusive Preisbildung,
  • zentrale Lage,
  • kleinstädtische Betriebsgröße,
  • geringer Einfluss des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Service),
  • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung,
  • stationärer Einzelstandort,
  • Unabhängigkeit.

Warenhaus

(z. B. Kaufhof/Horten, Karstadt/Hertie)

  • sehr breites, flaches Sortiment,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau (mit Trading up),
  • flexible Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen,
  • zentrale Lage,
  • Großbetriebsform,
  • intensiver Einfluss des Beeinflussungs-Mix (insbesondere Kommunikation),
  • Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbst- und Fremdbedienung,
  • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten,
  • starke horizontale Integration im Konzern.

Kaufhaus

(z .B. Sinn, C&A)

  • schmaleres Sortiment als ein Warenhaus bei höherer Tiefe,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau (mit Trading up),
  • konventionelle Preisbildung, durchsetzt von aggressiven Preisen,
  • zentrale oder Cityrandlage, auch in Vorortzentren vertreten,
  • Großbetriebsform, jedoch kleiner als Warenhaus,
  • intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix, aber weniger als Warenhaus,
  • Akquisition durch Ladengeschäft mit dominanter Fremdbedienung,
  • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten,
  • horizontale Integration in Konzern, jedoch geringer als Warenhaus.

Gemischtwarenladen

(z. B. „Tante-Emma-Geschäft“)

  • enges, sehr flaches Sortiment,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau, meist täglicher Bedarf,
  • starre, konventionelle Preisbildung,
  • Cityrand- oder Vorortlage,
  • kleinstädtische Betriebsform,
  • geringer systematischer Einsatz des Beeinflussungs-Mix,
  • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung,
  • stationärer Einzelstandort,
  • Unabhängigkeit, eventuell horizontale Integration (Kooperation).

SB-Warenhaus

(z. B. Real, Globus)

  • extrem breites, ausreichend tiefes Sortiment,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau,
  • aggressive, flexible Preisbindung,
  • Stadtrandlage oder „grüne Wiese“,
  • Großbetriebsform (über 5.000 qm/Food und Nonfood),
  • mittlerer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (vor allem Kommunikation),
  • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung,
  • stationärer Einzelstandort durch Agglomeration, häufig arrondierende Betriebe,
  • horizontale Integration in Konzern.

Verbrauchermarkt

(z. B. E-Markt)

  • sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau,
  • aggressive, flexible Preisbildung,
  • Stadtrandlage oder „grüne Wiese“,
  • Großbetriebsform (über 1.000 qm/Food und Nonfood),
  • geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation),
  • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung,
  • stationärer Einzelstandort durch Agglomeration,
  • horizontale Integration in Konzern.

Supermarkt

(z. B. Kaiser’s, Minimal)

  • breites, flaches Sortiment,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau,
  • aggressive, flexible Preisbildung,
  • Cityrand- oder Vorortlage,
  • Großbetriebsform (400 – 1.000 qm/Food und Nonfood),
  • geringer Einfluss des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation),
  • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung,
  • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten,
  • horizontale Integration in Konzern (Filialisierung).

SB-Geschäft

(z. B. Edeka, Rewe)

  • schmales, eher flaches Sortiment,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau,
  • konventionelle, flexible Preisbildung,
  • Cityrand- und Vorortlage,
  • mittelständische Betriebsform (unter 400 qm/nur Food oder Nonfood),
  • geringer Einfluss des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation),
  • Akquisition durch Ladengeschäft in dominanter Selbstbedienung,
  • dezentrale Standortplanung mit stationären Verkaufspunkten,
  • horizontale Integration in Konzern (Filialisierung).

Discounter

(z. B. Aldi, Lidl)

  • enges, flaches Sortiment,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau, oft Gattungsware,
  • aggressive, starre Preisbildung,
  • Stadtrandlage,
  • mittelständische Betriebsform,
  • geringer Einfluss des Beeinflussungs-Mix (Ausnahme: Kommunikation),
  • Akquisition durch Ladengeschäft mit Selbstbedienung,
  • dezentrale Standortplanung mit stationären Verkaufspunkten,
  • starke horizontale Integration in Konzern (Filialisierung).

Fachmarkt

(z. B. Augsburg, Hornbach)

  • enges, tiefes Sortiment, meist branchenbeschränkt,
  • gediegenes Sortimentsniveau,
  • flexible Preisbildung, tendenziell aggressiv,
  • zentrale Citylage oder Cityrandlage,
  • mittelständische Betriebsform, je Standort jedoch groß,
  • hoher Einfluss des Beeinflussungs-Mix (insbesondere Kommunikation),
  • Akquisition durch Ladengeschäft mit Fremdbedienung,
  • dezentrale Standortspaltung mit stationären Verkaufspunkten,
  • horizontale Integration in Konzern.

Die bisher genannten Betriebsformen sind im stationären Einzelhandel tätig. Darüber hinaus gibt es Betriebsformen des Distanzhandels, vorwiegend im Katalogverkauf, vor allem folgende:

Universalversandhandel

(z. B. Neckermann, Quelle, Otto)

  • sehr breites, relativ schmales Sortiment, gestaffelt nach Jahreszeiten, Sonderanlässen, Thematiken,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau (Trading up über Spezialitäten),
  • starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv,
  • Großbetriebsform,
  • intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix (insbesondere Kommunikation),
  • Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog, Internet) und Bestellung (Auftrag), eventuell Telefon, Vertreter, Sammelbesteller,
  • horizontale Integration in Konzern.

Fachversandhandel

(z. B. Baur, Oppermann)

  • sehr enges, ausreichend tiefes Sortiment, meist beschränkt auf eine Branche oder verwandte Produktgruppen (z.B. Schmuck, Mode),
  • gediegenes Sortimentsniveau,
  • starre, konventionelle Preisbildung, teilweise aggressiv,
  • mittelständische Betriebsform,
  • intensiver Einsatz des Beeinflussungs-Mix,
  • Akquisition durch Distanzprinzip (Katalog, Internet) und Bestellung (Auftrag), eventuell auch über Telefon, Vertreter, Sammelbesteller,
  • horizontale Integration in Konzern.

Der Katalogverkauf wird zukünftig starken Beschränkungen unterliegen. Daher nimmt der Online-Distanzhandel, also über interaktive Medien wie Internet und I-TV. Der Online-Versandhandel über Internet (WWW oder E-Mail) und Endgerät (PC, Laptop, Notepad, Smartphone usw.) immer größere Umsatzanteile in Anspruch. Mit flächendeckender Einführung des interaktiven Fernsehens entsteht eine weitere, mächtige Handelsbetriebsform zum Kauf über TV ohne Wechsel des Mediums. Zur Übertragung sind hier Kabel, Antenne, Satellit oder Funknetz sowie als Dienste Rundfunk oder Internet möglich.

Schließlich ist der Telefonverkauf (mobil oder stationär) durch den Handel bedeutsam. Hier unterliegt die (aktive) Outbound-Telefonie gegenüber Privaten einem Verbot, gegenüber Gewerbetreibenden starken Einschränkungen. Die (passive) Inbound-Telefonie ist hingegen immer erlaubt, ebenso das Anrufen bei bestehenden Geschäftsbeziehungen und bei ausdrücklicher Einwilligung des Angerufenen.

Folgende gruppierte Betriebsformen sind durch Konzentration isolierter Betriebsformen, und zwar räumlich, zeitlich, inhaltlich oder formal, also nach Erhalt von Standort, Zeitdauer, Wareninhalt oder Führung, gekennzeichnet. Von diesen werden nur die räumlich gruppierten Betriebsformen näher betrachtet:

Einkaufszentrum

(z. B. CentrO, Huma):

  • sehr breites, ausreichend tiefes Sortiment mehrerer Anbieter,
  • anspruchsloses Sortimentsniveau,
  • aggressive, flexible Preisbildung,
  • auf der „grünen Wiese“ angesiedelt,
  • Großbetriebsform mehrerer ansonsten selbstständiger Händler,
  • geringer Einsatz des Beeinflussungs-Mix,
  • Akquisition durch Ladengeschäfte in dominanter Fremdbedienung,
  • stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration,
  • Unabhängigkeit und Einmaligkeit.

Ladenpassage/Mall

(z. B. Kö-Passage/Düsseldorf, Calwer Passage/Stuttgart)

  • sehr breites und sehr tiefes Sortiment, mehrere Anbieter,
  • mindestens gediegenes bis luxuriöses Sortimentsniveau,
  • exklusive, starre Preisbildung,
  • zentrale Citylage,
  • Großbetriebsform mehrerer ansonsten selbstständiger Händler,
  • hoher Einsatz des Beeinflussungs-Mix (insbesondere Service),
  • Akquisition durch Ladengeschäfte mit Fremdbedienung,
  • stationärer Einheitsstandort durch Agglomeration,
  • Unabhängigkeit und Einmaligkeit.

Weitere, eher atypische Betriebsformen des Einzelhandels betreffen folgende Ausprägungen:

  • Der Mobile Handel findet in verschiedenen Typen statt, so als Markthandel (z. B. Wochenmarkt), als Straßenhandel (z. B. Verkaufswagen/Frischdienst), als Hökerhandel (z. B. Trödel-/Andenkenstand), als Hausierhandel (z. B. Haustürverkauf) oder als Wanderhandel (z. B. Teppichverkauf).
  • Der Vorzugshandel betrifft den Beziehungshandel (z. B. Buchclubs).
  • Der Nebenverkauf betrifft die Absatzstellen in Kantinen von Betrieben oder Verwaltungen.
  • Der Automatenverkauf erfolgt über Innenautomaten (in öffentlichen oder privaten Gebäuden), über Außenautomaten oder teils in bedienungslosen eigenständigen Automatenläden.
  • Als Impulshandel werden die Absatzstellen in Kiosken und Tankstellen bezeichnet.
  • Der Drogeriemarkt ist die moderne Form der ehemaligen Drogerie. Das Sortiment besteht aus Gesundheitsartikeln, dekorativer und pflegender Kosmetik, Duftwässern und allgemeinen Verbrauchsartikeln.
  • Mehrbranchen-Geschäfte bieten verschiedene, unzusammenhängende Teilsortimente an, z. B. Dänisches Bettenlager, Strauß Innovation.
  • Der Katalogschauraum bietet die Möglichkeit, aus einem Katalog Waren auszuwählen, die dann sofort vom Lager ausgehändigt oder beim Hersteller bestellt werden.
  • Beim Teleshopping schließlich erfolgt die Bestellung von Waren nach Ansicht eines Verkaufsmediums (z. B. Fernsehsendung, Werbelangsendung).