Was sind Fehlmengenkosten?

Fehlmengenkosten entstehen, wenn Gütermengen zur Befriedigung eines Bedarfs in der Fertigung oder im Vertrieb nicht zum jeweiligen Bedarfszeitpunkt in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Fehlmengenkosten lassen sich unterteilen in Betriebsunterbrechungskosten, Dispositionskosten (Stillstandskosten, Stillsetzungskosten, Wiederanlaufkosten), Kapitalbindungskosten, Leerkosten und Losgrößenabweichungskosten.

Sie entstehen nimmer dann, wenn das beschaffte Material den Fertigungsbedarf nicht deckt, wodurch der Leistungsprozess ganz oder teilweise unterbrochen wird.

Fehlmengenkosten setzen sich aus pagatorischen Kosten (z. B. Konventionalstrafen) und Opportunitätskosten (z. B. entgehende Deckungsbeiträge) zusammen.

Welche Fehlmengenkostenarten gibt es?

Betriebsunterbrechungskosten

  • Direkte Fehlmengenkostenart, weil eine Betriebsunterbrechung am Arbeitssystem unmittelbar auf dem Fehlmengenereignis basiert.
  • Zu den wesentlichen Bestandteilen gehören die Rüstkosten für die Stillsetzung und den Wiederanlauf, aber auch laufende Stillstandskosten (z. B. Wartung) von maschinellen Anlagen.

Dispositionskosten

  • Dispositionskosten sind den indirekten Fehlmengenkosten zuzuordnen, wenn bei einem eingetretenen oder denkbaren Fehlmengenereignis Material gesucht oder Aufträge umgeplant werden müssen.
  • Zu den maßgeblichen Kostentreibern gehören die Anzahl der betroffenen Mitarbeiter und deren Einsatzzeiten bei Materialsuche und Umplanung.

Kapitalbindungskosten

  • Kapitalbindungskosten sind direkte Fehlmengenkosten. Sie treten durch Aufträge auf, die wegen fehlenden Materials nicht bearbeitet werden können sowie andere Aufträge, deren Bearbeitung sich verzögert.
  • Bewertungsgrundlage bilden bisherige Herstellkosten der Zwischenprodukte betroffener Aufträge sowie der Kapitalbindungszinssatz.

Leerkosten

  • Grundlage für die Bestimmung der Leerkosten ist der geplante Beschäftigungsgrad eines Arbeitssystems (maschinelle Anlagen bzw. Personal)
  • Die während der Fehlmengendauer unbeschäftigten Mitarbeiter und maschinellen Anlagen beeinflussen über den Maschinenstundensatz und den Stundenlohn die Höhe der auftretenden Leerkosten.
  • Leerkosten gehören zu den direkten Fehlmengenkostenarten.

Losgrößenabweichungskosten

  • Sofern Produkte in Losen gefertigt werden, können bei Fehlmengenereignissen Losgrößenabweichungskosten auftreten.
  • Relevant sind die ursprünglich geplante Losgröße sowie der fehlmengenbedingt nicht zu bearbeitende Teil des Loses.
  • Losgrößenabweichungskosten als direkte Fehlmengenkostenart haben ihre Ursache in der Umlegung der Rüstkosten auf eine niedrigere als die ursprünglich geplante Losgröße.

Was sind die Konsequenzen von Fehlmengenkosten?

In Abhängigkeit von den Konsequenzen einer Fehlmengensituation können unterschiedliche Fehlmengenkosten anfallen.

Zum einen können Kosten des Ausgleichs einer Fehlmengensituation entstehen. Diese Kosten fallen an, wenn die Nachfrage durch außerplanmäßige Sonderaktionen rechtzeitig bzw. nachträglich befriedigt wird. Als Fehlmengenkosten ist der Betrag zu erfassen, um den die Kosten der Sonderaktion die relevanten Kosten des normalen Geschäftsbetriebs übersteigen. Beispielhaft zu nennen sind hier zusätzliche Verwaltungskosten und die Differenz zwischen geplanten und realisierten Transportkosten (z. B. bedingt durch den Übergang von der langsameren Schienen- auf die schnellere Luftfracht).

Außerdem gibt es produktionswirtschaftliche Anschaffungskosten (z. B. hervorgerufen durch eine Beschleunigung der Fertigung, bzw. durch Überstunden) oder Kosten in Höhe der Preisdifferenzen zwischen der gelieferten, qualitativ höherwertigen Ware und den fehlenden Gütern.

Die Bestimmung der genannten Kosten des Ausgleichs einer Fehlmengensituation kann leicht fallen, z. B. wenn ein normalerweise auf dem Schienenweg transportiertes Gut auf dem teureren Luftweg ausgeliefert wird. Ermittlungs- und/oder Zurechnungsprobleme ergeben sich stets dann, wenn Sonderaktionen gleichzeitig zur Beseitigung mehrerer Fehlmengensituationen durchgeführt werden.

Ferner resultieren Fehlmengenkosten daraus, dass ein vollständiger und rechtzeitiger Ausgleich der Fehlmengensituation nicht erfolgt. Die Überschreitung von Auslieferungsterminen kann verschiedene Konsequenzen mit sich bringen. Hier sind zuerst Konventionalstrafen bzw. Schadenersatzzahlungen zu nennen, unabhängig davon, ob ein Auftrag verspätet oder gar nicht erfüllt wird.

Konventionalstrafen sind vertraglich vereinbart. Sie können nur einmal beim Überschreiten oder in regelmäßigen Abständen nach Ablauf des Auslieferungstermins anfallen.

FehlmengenkostenDaneben ist im Back-Order-Fall denkbar, dass der Kunde Preisnachlässe verlangt. Tritt der Lost-Sales-Fall ein, entstehen Opportunitätskosten. In Abhängigkeit vom Fortschritt der Auftragsbearbeitung kommt es zu Deckungsbeitragsausfällen (die Auftragsbearbeitung hat noch nicht begonnen, daher sind auch keine Kosten für den Auftrag angefallen). Erlösausfällen entstehen bei den nicht termingerecht fertiggestellten Aufträgen (ein Auftrag ist fast vollständig bearbeitet und nicht anderweitig verwendbar).

Die bisher aufgezeigten Größen lassen sich, zumindest ex post, grundsätzlich hinreichend exakt bestimmen. Erhebliche Ermittlungsprobleme entstehen dagegen im Lost-Customer-Fall. In dieser Situation wirken sich Fehlmengen auf zukünftige Geschäfte der Unternehmung aus.

Nicht termingerecht ausgelieferte Aufträge halten potenzielle Kunden davon ab, mit der Unternehmung Verträge abzuschließen, zukünftige Deckungsbeiträge gehen verloren. Es entstehen Goodwill- und Imageverluste. Relevant sind auch die Kosten aus absatzfördernden Maßnahmen, mit deren Hilfe die Unternehmung versuchen wird, die Goodwill- und Imageverluste zu kompensieren.

Fehlmengen müssen jedoch nicht zwangsläufig zu negativen erfolgswirtschaftlichen Konsequenzen führen. Bedingt durch Eilbestellungen und verkürzte Bearbeitungszeiten kann die Kapitalbindungsdauer für einen Auftrag sinken und zu erheblich niedrigeren Kapitalbindungskosten als im Normalfall führen.

Bei Produkten, die im Zeitablauf von Verderb bedroht sind, können gegebenenfalls auch die hierdurch ausgelösten Kosten eingespart werden. Im Grenzfall sind, wie die Praxis in der Automobilwirtschaft zeigt, bei Lieferterminüberschreitungen sogar Deckungsbeitragssteigerungen, verursacht durch die zwischenzeitliche Preissteigerung eines Gutes, denkbar.

Welche Kostenkategorien unterscheidet man bei Fehlmengensituationen?

Die in einer Fehlmengensituation anfallenden Kosten können zusammenfassend in vier Kategorien eingeteilt werden:

Mengen- und zeitunabhängige Fehlmengenkosten

Mengen- und zeit- unabhängige Kosten von Fehlmengen entstehen, wenn der Liefertermin überschritten wird. Sie fallen unabhängig von der Dauer der Terminüberschreitung an, und es spielt keine Rolle, ob nur ein Teil oder der ganze Auftrag nicht fertiggestellt ist. Als Beispiel hierfür ist eine in ihrer Höhe feste, einmalig beim Überschreiten des Liefertermins anfallende Konventionalstrafe zu nennen.

Mengenabhängige Fehlmengenkosten

Mengenabhängige Kosten von Fehlmengen sind zwar von der Dauer der Mangelsituation unabhängig, nicht jedoch von der Höhe des Fehlmengenbestands. Mengenabhängige Fehlmengenkosten resultieren beispielsweise aus den Beschaffungspreisdifferenzen bei der Substitution (eines Teils) der fehlenden Güter durch qualitativ höherwertige Ware.

Zeitabhängige Fehlmengenkosten

Zeitabhängige Fehlmengenkosten variieren nur in Abhängigkeit von der Dauer der Terminüberschreitung. Sie ergeben sich beispielsweise, wenn eine Konventionalstrafe von der Dauer der Mangelsituation abhängig ist.

Mengen- und zeitabhängige Fehlmengenkosten

Mengen- und zeitabhängige Kosten von Fehlmengen hängen von der Dauer der Fehlmengensituation sowie von der Höhe des Fehlmengenbestands ab. Hierunter fallen beispielsweise Preisabschläge pro Stück, die mit zunehmender Lieferterminüberschreitung höher ausfallen.

Das Wichtigste zu Fehlmengenkosten in Kürze

Fehlmengenkosten werden durch unzureichende Lagerbestände (in Material- Zwischen- und Endproduktlagern) verursacht. Sie stehen daher in unmittelbaren Zusammenhang mit der Lieferfähigkeit der jeweiligen Lager: Je höher diese ist, umso geringer ist die Gefahr von Fehlmengen.

Fehlmengenkosten können sich aus zusätzlichen Kosten, reduzierten Erlösen und unmittelbar oder zukünftig entgehenden Deckungsbeiträgen zusammensetzen.

Die Ermittlung der Höhe von Fehlmengenkosten ist – insbesondere bezogen auf die sogenannten intangiblen Größen – problematisch.

Auch die Ursachen für Fehlmengen können unterschiedlicher Natur sein und liegen nur selten direkt in der Logistik, sodass eine Zurechnung der daraus entstandenen Kosten nicht immer gerechtfertigt ist.

Aufgaben

  1. Woraus setzen sich Fehlmengenkosten zusammen?
  2. Welche Fehlmengenkostenarten unterscheidet man?
  3. Welche Kostenkategorien sind in Fehlmengensituationen möglich?
  1. Pagatorische Kosten, Opportunitätskosten
  2. Betriebsunterbrechungskosten, Dispositionskosten, Kapitalbindungskosten, Leerkosten, Losgrößenabweichungskosten
  3. Mengen- und zeitunabhängige Fehlmengenkosten, mengenabhängige Fehlmengenkosten, zeitabhängige Fehlmengenkosten, mengen- und zeitabhängige Fehlmengenkosten

Literaturhinweise

  1. Alfred Brink (1988): Operative Lager- und Bestellmengenplanung unter Berücksichtigung von Lagerkapazitätsrestriktionen, Bergisch Gladbach, Köln 1988
  2. Jürgen Webe (1987): Fehlmengenkosten, in: Kostenrechnungspraxis, Heft 1, S. 13-18, 1987