Was leistet unser Gedächtnis?

Ein Leben ohne Gedächtnis können wir uns kaum vorstellen. Uns wäre dann unbekannt, was wir alles erlebt haben. Außerdem könnten wir nicht kommunizieren und keine sozialen Gefüge aufbauen. Mehr noch, unser Selbst würde sich auflösen, wenn wir uns nicht mehr an unsere Erlebnisse, Einstellungen und Ziele erinnern könnten. Menschen sind die Summe unserer Erfahrungen und die Summe dessen, was sie gelernt haben.

Das Gedächtnis ist sehr leistungsfähig. In Sekundenschnelle finden wir das, was wir gerade brauchen. So handelt es sich beim Gedächtnis um einen geordneten Speicher, der oft mit einem Computer verglichen wird. Im Gegensatz zum Computer vergisst der Mensch allerdings bestimmte Informationen. Das erfahren wir leidvoll, wenn uns in einer Prüfung Antworten nicht einfallen oder wir beim Einkaufen etwas vergessen.

Prozedurales GedächtnisZentral für das Gedächtnis sind die Speicherung und der Abruf von Informationen. Wenn diese Prozesse bewusst ablaufen, sprechen Psychologen von expliziter Speicherung und explizitem Abruf, geschehen sie unbewusst, werden sie implizit genannt. Viele Lern- und Abrufprozesse passieren automatisch, und dies ist sehr effizient. Wir merken uns vieles, ohne es uns vorzunehmen. Oft rufen wir unwillentlich bestimmte Informationen ab.

Das Gedächtnis spielt eine wichtige Rolle im Rahmen der Kommunikationspolitik des Marketing-Mix. Dies liegt daran, dass bestimme Informationen besser erinnert werden als andere. Dies können sich Unternehmen zunutze machen.

Wie lernen Menschen?

Wie Menschen lernen, hängt eng mit dem Gedächtnis zusammen. Eines der wichtigsten Konzepte der Lerntheorie ist die Konditionierung, also das Erlernen von Reiz-Reaktions-Mustern.

Behavioristen wie Skinner und Pavlov etablierten diesen Begriff. Sie hoben die Rolle von Umwelteinflüssen auf das Lernen hervor und glaubten, dass menschliches Verhalten am besten durch eine Untersuchung der Umweltfaktoren und des dadurch ausgelösten Verhaltens zu erforschen sei. Die hierzu vorgeschlagenen Modelle waren sogenannte SR-Modelle (Stimulus-Response), wobei das menschliche Gehirn als „Black-Box“ galt, die nicht betrachtet wurde.

Sie lehnten eine Analyse der Gedanken oder Emotionen als innerpsychische Zustände im Stil Sigmund Freuds ab, weil sie dies für unwissenschaftlich hielten. Der Behaviorismus büßte später an Bedeutung ein, und die Kognitionsforschung setzte sich mit ihren Methoden durch, einige Lerngesetze gelten jedoch auch heute noch. Das hierzu genutzte Modell ist das sogenannte SOR-Modell (Stimulus-Organism-Response), welches die intervenierenden Variablen innerhalb des Gehirns einbezieht.

Was besagt die klassische Konditionierung?

Pavlov entdeckte die klassische Konditionierung an Hunden. Er beobachtete, dass Hunde auf Futter mit einem Reflex, dem Speichelfluss, reagieren. Kombiniert man die Futtergabe beispielsweise mit einem bestimmten Ton, fängt der Hund nach einigen Lerneinheiten schon beim Erkennen dieses Tons an, Speichel zu produzieren.

Vor dem Lernprozess hat der Ton für den Hund keine Bedeutung, durch die Kombination mit dem Fressen wird er jedoch zum konditionierten Reiz. Der Hund lernt, dass der Ton ein Hinweis auf das Fressen ist.

Was besagt die operante Konditionierung?

Skinner war wie Pavlov der Meinung, dass das Studium von Kognitionen und Empfindungen unwissenschaftlich sei und dass eine einfache Beobachtung von Reiz und Situation sowie dem darauf folgenden Verhalten als Methode geeignet sei. Skinner spezialisierte sich auf die sogenannte operante Konditionierung.

Hierbei werden die Konsequenzen von Verhaltensweisen fokussiert, also inwiefern ein Individuum seine Umwelt beeinflussen kann. Babys etwa brabbeln, mit einem neuen Kollegen redet man etwa auf Verdacht über Fußball, oder sagt zum Beispiel einem neuen Nachbarn guten Tag.

Diese Verhaltensweisen, die einfach so auftreten, werden verstärkt, wenn eine positive Konsequenz folgt, also wenn die Eltern beim Brabbeln auf das Baby reagieren, wenn der Kollege auf das Gespräch eingeht und der Nachbar freundlich zurück grüßt. Bei negativen Reaktionen wird das Verhalten zurückgefahren.

Was sind Repräsentationen?

Alles, was wir lernen, die gesamte äußere Welt, wird in unserem Gedächtnis abgebildet, Psychologen sprechen von Repräsentationen im Gedächtnis. Irgendwo in uns ist gespeichert, was wir unter den Begriffen Professor, Tür oder Ameise verstehen.

Den ersten Schritt, mit dem ein äußeres Ereignis in unser psychisches System eintritt, nennen wir Enkodierung. Wir nehmen Informationen mit einem individuellen Code wahr und speichern sie dann für eine bestimmte Zeit ab. Schließlich erfolgt der Abruf. Diese drei Prozesse, Enkodierung, Speicherung und Abruf, beschreiben eine Folge, sind aber dennoch voneinander abhängig. So erkennt man eine Ameise nur dann, wenn man bereits eine Vorstellung von einer Ameise im Kopf hat und diese abrufen kann.

Wozu dient das Arbeitsgedächtnis?

Das Kurzzeitgedächtnis, das Alan Baddeley auch Arbeitsgedächtnis nennt, hat die Aufgabe, ausgewählte Informationen für eine Spanne von einigen Sekunden bereitzuhalten und dann wieder zu vergessen. So können wir beispielsweise eine E-Mail-Adresse für ein paar Sekunden behalten, sodass wir sie notieren können, ohne ein zweites Mal auf den Computer schauen zu müssen. Es wäre nicht besonders effizient, wenn wir die Gesamtheit solcher Erinnerungen im Langzeitgedächtnis bewahren würden, das Gedächtnis wäre dann schnell überfrachtet. Manchmal ist es durchaus hilfreich, zu vergessen oder Irrelevantes auszublenden.

Das Arbeitsgedächtnis steht in direktem Kontakt mit dem Langzeitgedächtnis. Dieses System beinhaltet das Wissen, das uns zugänglich gemacht werden kann. Diese Zugänglichkeit ist aber häufig das Problem. Manchmal erinnern wir spontan Dinge aus weit entfernt liegenden Zeiten. In anderen Momenten dagegen fällt uns etwas, das wir erst kürzlich erlebt haben, nicht ein. Wir fühlen uns wie blockiert, obwohl wir wissen, dass wir irgendwann darauf kommen werden. Und tatsächlich: Untersuchungen zeigen, dass Menschen, die das Gefühl haben, ihnen liege die Antwort auf der Zunge, irgendwann die Information im Gedächtnis finden.

Was speichert das Gedächtnis ab?

Bei der Frage, was im Gedächtnis abgespeichert wird, unterscheidet man zwischen episodischem, semantischem und prozeduralem Gedächtnis.

Beim episodischem Gedächtnis erinnert man autobiografische Ereignisse und den Kontext des Ereignisses. Zum Beispiel: „Weißt du noch, wie mir an Weihnachten nach dem fertigen Fleischsalat schlecht wurde?“

Das semantische Gedächtnis umfasst dagegen ein Wissen zu bestimmten Sachverhalten wie die Bedeutung von Wörtern und Konzepten, etwa: „Fleischsalat ist schwer verdaulich“.

Das prozedurale Gedächtnis schließlich speichert Handlungsabläufe, also in diesem Beispiel etwa, wie man den Löffel zum Mund führt. Das Gedächtnis ist sehr effizient, aber auch anfällig für Fehler.