Die Liquiditätsgrade sind gängige Bilanzkennziffern, die Auskunft über das Deckungsverhältnis von Vermögensgegenständen zu Verbindlichkeiten geben. Anhand der Liquiditätsgrade lässt sich also grob erkennen ob ein Unternehmen liquide bzw. zahlungsfähig ist oder ob es in Zukunft Zahlungsschwierigkeiten geben kann und offene Forderungen dementsprechend nicht erfüllt werden können. Man unterscheidet zwischen drei Liquiditätsgraden, die jeweils unterschiedliche Teile des Vermögens mit den kurzfristigen Verbindlichkeiten eines Unternehmens in ein Verhältnis setzen:
Liquiditätsgrad 1 (auch genannt Liquidität 1. Grades, Barliquidität oder cash ratio)
Liquiditätsgrad 2 (auch genannt Liquidität 2. Grades, Liquidität auf kurze Sicht oder quick ratio)
Liquiditätsgrad 3 (auch genannt Liquidität 3. Grades, Liquidität auf mittlere Sicht oder current ratio)
Was versteht man unter Liquidität?
Den Begriff Liquidität hat wohl jeder, der sich ein bisschen für wirtschaftliche Themen interessiert, bereits mehrfach gehört. Was er genau bedeutet hängt jedoch häufig vom Kontext ab. Wir möchten im folgenden Abschnitt kurz zwischen den vier üblichen Bedeutungen des Begriffs Liquidität unterscheiden.
Liquidierbarkeit
Mit Liquidierbarkeit ist die Geldnähe eines Vermögensgegenstandes gemeint. Im Klartext bedeutet dies, dass man sich fragt wie schnell man eine Sache in Geld umwandeln kann. So dauert es beispielsweise länger ein Haus zu verkaufen als eine Aktie, die an der Börse gehandelt wird.
Liquiditätsreserven
Liquidität im Sinne von Liquiditätsreserven meint das Geld, worüber ein Unternehmen oder eine andere Institution tatsächlich verfügt. Dieses Geld kann auf Anfrage sofort für jeglichen Zweck genutzt werden.
Zahlungsfähigkeit
Sehr häufig spricht man von Liquidität im Sinne der Zahlungsfähigkeiteiner Person oder Institution. So ist jemand zahlungsfähig, wenn er in der Lage ist alle fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Ist dies nicht der Fall gilt derjenige als zahlungsunfähig.
Liquiditätsgrade
Schließlich spricht man von Liquidität im Sinne der Liquiditätsgrade, die wir in diesem Beitrag genauer beleuchten wollen.
Liquiditätsgrad 1
Der Liquiditätsgrad 1 gibt das Verhältnis von flüssigen Mitteln zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten an. Die flüssigen Mittel sind als Posten auf der Aktivseite der Bilanz angegeben. Hierzu zählen Bargeld, Bankguthaben und sonstige schnell liquidierbaren Vermögensgegenstände wie z.B. Aktien, die an der Börse gehandelt werden. Unter kurzfristigen Verbindlichkeiten versteht man normalerweise die Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr. Diese könnt ihr aus dem Verbindlichkeitenspiegel aus dem Geschäftsbericht eines Unternehmens entnehmen.
Der Liquiditätsgrad 1 wird mithilfe folgender Formel berechnet:
Oft wird der Liquiditätsgrad 1 als Barliquidität bezeichnet, da er angibt inwieweit die kurzfristig anfallenden Schulden durch die vorhandenen flüssigen Mittel bedient werden können. Bei einem Liquiditätsgrad 1 von 100 % ist eine vollständige Deckung gegeben, bei allen Werten unterhalb von 100 % nicht. Man könnte also vermuten, dass alle Unternehmen einen Liquiditätsgrad 1 von über 100 % anstreben sollten.
Betrachtet man ausschließlich den Sicherheitsaspekt ist diese Vermutung korrekt. Das Problem an einem hohen Liquiditätsgrad 1 ist allerdings, dass flüssige Mittel nur „herumliegen“ und nicht in Projekte investiert sind, die eine Rendite erwirtschaften. Obendrein lässt sich ein Liquiditätsengpass durch Kreditaufnahme leicht umgehen, weshalb der Sicherheitsaspekt nicht so sehr gewichtet wird. Eine hohe Barliquidität führt also zu mehr Sicherheit allerdings zu Lasten der Rentabilität des Unternehmens.
Aus diesen Gründen liegt der Liquiditätsgrad 1 eines Unternehmens in der Praxis sehr selten bei 100 % oder sogar darüber. Üblich sind Werte von ca. 20 %.
Liquiditätsgrad 2
Der Liquiditätsgrad 2 gibt das Verhältnis von flüssigen Mitteln und kurzfristigen Forderungen zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten an. Was flüssige Mittel und kurzfristige Verbindlichkeiten sind haben wir bereits unter Liquiditätsgrad 1 erläutert. Die Forderungen findet ihr normalerweise unter dem Bilanzposten „Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände“. Hierzu zählen beispielsweise Forderungen aus Lieferungen und Leistungen oder Forderungen aus Vermietung.
Der Liquiditätsgrad 2 kann mithilfe folgender Formel berechnet werden:
Der Liquiditätsgrad 2 gibt Auskunft darüber inwieweit die kurzfristigen Verbindlichkeiten durch flüssige Mittel und Forderungen gedeckt sind. Da Forderungen Zahlungsansprüche sind und kein Geld, welches herumliegt, gilt der oben angesprochene Zusammenhang zwischen Sicherheit und Rentabilität nicht mehr.
Als Richtwert für ein solides Unternehmen sollte der Liquiditätsgrad 2 etwa 100 % betragen. Dies bedeutet, dass alle kurzfristigen Verbindlichkeiten durch die Forderungen und flüssigen Mittel gedeckt sind. Selbst dies ist allerdings riskant, da Forderungen jederzeit ausfallen können.
Liquiditätsgrad 3
Der Liquiditätsgrad 3 gibt das Verhältnis des gesamten Umlaufvermögen zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten an. Zusätzlich zu den bereits angesprochenen Posten werden hier die Vorräte zu den Forderungen und den flüssigen Mitteln addiert. Den Bilanzposten „Vorräte“ findet ihr unter Umlaufvermögen in der Bilanz jedes Unternehmens. Hierzu zählen je nach Unternehmen beispielsweise unfertige Erzeugnisse und zum Verkauf bestimmte Güter.
Die Formel zur Berechnung des Liquiditätsgrad 3 lautet:
Ein Richtwert aus der Praxis für finanziell gut aufgestellte Unternehmen liegt für den Liquiditätsgrad 3 bei etwa 200 % (Banker’s Rule). Nun fragt ihr euch vielleicht wie man auf diesen Wert kommt?
Ein Liquiditätsgrad 3 von 100 % würde bedeuten, dass das gesamte Umlaufvermögen gerade so reicht, um die kurzfristigen Forderungen zu bedienen. Ein kleiner Forderungsausfall würde dazu führen, dass Anlagevermögen verkauft werden müsste, um kurzfristige Verbindlichkeiten zu bedienen. Dies wäre fatal und würde zwangsläufig zum finanziellen Ruin des Unternehmens führen. Deshalb sollte ein umfangreicher Puffer eingeplant sein, der uns zu den oben genannten 200 % führt.
Liquiditätsgrade zur Beurteilung der Zahlungsfähigkeit
Wie ihr nun wisst können Liquiditätsgrade dabei helfen die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens einzuschätzen. Wie alle Bilanzkennzahlen unterliegen sie dabei allerdings gewissen Schwächen und lassen wichtige Informationen außer Acht. Im folgenden Abschnitt möchten wir kurz die wichtigsten Aspekte erläutern, die dazu führen, dass Liquiditätsgrade allein nicht für die Beurteilung der Zahlungsfähigkeit geeignet sind.
Zunächst ein Aspekt von dem generell alle Bilanzkennziffern mehr oder weniger betroffen sind — die Veraltung bzw. mangelnde Aktualität der Kennzahlen. Je nach Rechtsform und Größe haben Unternehmen bis zu einem Jahr Zeit ihren Jahresabschluss offen zulegen. So können beispielsweise Zahlen vom 31.12.2017 mitten im Jahr 2018 schon ganz andere Werte annehmen. Posten wie das Anlagevermögen werden sich nicht so schnell ändern, flüssige Mittel, Forderungen, Umlaufvermögen und kurzfristige Verbindlichkeiten allerdings schon. Dementsprechend sind vor allem die Liquiditätsgrade von diesem Problem betroffen.
Damit einhergehend kommen wir zum zweiten Punkt — Liquiditätsgrade sind strikt zeitpunkt- bzw. stichtagsbezogen. Dies bedeutet, dass laufende Zahlungen (z.B. Löhne und Gehälter, Versicherungen für Autos, Pensionen, Mieten für Gebäude etc.) gar nicht abgebildet werden können.
Ein eher kleinerer Kritikpunkt ist die in sich grobe Einteilung der zur Berechnung genutzten Bilanzposten. Kurzfristige Verbindlichkeiten sind alle Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit von bis zu einem Jahr. So könnte es beispielsweise sein, dass ein Großteil der Verbindlichkeiten bereits im nächsten Monat fällig wird wohingegen ein Großteil der Forderungen (Liquiditätsgrad 2) erst nach zehn Monaten eingeht. Das Unternehmen könnte dementsprechend Zahlungsschwierigkeiten bekommen, obwohl der Liquiditätsgrad 2 dies nicht vermuten lässt.
Schließlich kann die Aussagekraft der Liquiditätsgrade durch eine entsprechende Bilanzpolitik (Window-Dressing) verfälscht werden.
Abschließend lässt sich sagen, dass die Liquiditätsgrade einen groben Überblick über die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens geben. Die Aussagekraft ist allerdings begrenzt. Deshalb sollten Investoren stets eine umfassendere Analyse durchführen und sich nicht ausschließlich auf Bilanzkennziffern wie die Liquiditätsgrade verlassen.
Beispiele
Beispiel 1:
Ein Unternehmen verfügt über ein Umlaufvermögen von 300 Mio. €. Dieses unterteilt sich in flüssige Mittel in Höhe von 40 Mio. €, Forderungen in Höhe von 120 Mio. € und Vorräte im Umfang von 140 Mio. €. Die kurzfristigen Verbindlichkeiten betragen 200 Mio. €.
Welche Werte ergeben sich für die Liquiditätsgrade 1-3?
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