Was ist ein Mittelstandskartell?

Im Wettbewerbsrecht stellt das Mittelstandskartell ein Wirtschaftskartell zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) dar, das die Wettbewerbsfähigkeit der teilnehmenden Unternehmen verbessern soll.

Laut dem statistischen Bundesamt sind kleine Unternehmen alle Unternehmen bis zu 49 Beschäftigten und einem Umsatz oder einer Bilanzsumme bis zu 10 Millionen Euro. Mittlere Unternehmen haben bis zu 249 Beschäftigte und einen Umsatz oder eine Bilanzsumme bis zu 50 Millionen Euro.

Mittelstandskartell DefinitionIm Rahmen eines Mittelstandskartells dürfen Wettbewerber zusammenarbeiten. Die Kooperation kann den Einkauf, die Logistik oder den Vertrieb betreffen. Voraussetzung ist jedoch, dass durch die Zusammenarbeit wirtschaftliche Vorgänge rationiert werden. Synergieeffekte muss das Mittelstandskartell erreichen und bei allen beteiligten Unternehmen zu Kosteneinsparungen führen. Der gemeinsame Marktanteil der Unternehmen darf 10 bis 15 % nicht überschreiten.

Was sind die Voraussetzungen für ein Mittelstandskartell?

§ 2 Abs. 1 GWB regelt für kleinere und mittlere Unternehmen, dass die Wettbewerbsbeeinträchtigung, die normalerweise nach § 1 GWB verboten ist, unter bestimmten Bedingungen freigestellt und damit erlaubt werden kann. Diese Voraussetzungen sind:

  • eine bessere Warenerzeugung oder Produktverteilung zu erreichen oder den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt positiv zu beeinflussen,
  • wobei die Auferlegung von Wettbewerbsbeschränkungen nicht für die Erreichung dieser Ziele entbehrlich sein darf;
  • eine angemessene Beteiligung der Konsumenten an dem entstehenden Gewinn;
  • keine Wettbewerbsausschaltung für einen wesentlichen Teil der Produkte.

In § 3 GWB hat der Gesetzgeber eine Regelung getroffen, dass die Zusammenarbeit mittelständischer Unternehmen diese Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 GWB erfüllt, wenn:

  • es sich dabei um Vereinbarungen zwischen miteinander konkurrierenden Unternehmen oder Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen handelt,
  • die Rationalisierung ökonomischer Vorgänge durch Zusammenarbeit von Betrieben zum Gegenstand haben;
  • wenn dadurch der Wettbewerb auf dem Markt unwesentlich beeinträchtigt wird und
  • wenn die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dienen, die Fähigkeit für den Wettbewerb kleinerer oder mittlerer Unternehmen zu steigern.

Es existiert keine gesetzliche Definition für das Tatbestandsmerkmal kleinere und mittlere Unternehmen. Es ist nach der behördlichen und gerichtlichen Praxis relativ im Vergleich zu den Wettbewerbern auf dem sachlichen und räumlichen Markt zu bemessen.

Unter der Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge versteht man alle Maßnahmen, durch die bei den beteiligten kleinen und mittleren Unternehmen die Relation des betrieblichen Aufwands für wirtschaftliche Vorgänge zum Ertrag, gerechnet in Produktionseinheiten, verbessert wird.

§ 3 GWB wird dann angewendet, wenn der Wettbewerb nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Bei einer Gesamtwürdigung sind vornehmlich die Marktstellung, besonders die Marktanteile der an der Zusammenarbeit beteiligten Unternehmen, die Art der zwischenbetrieblichen Kooperation, insbesondere der Umfang der mit ihr verbundenen Wettbewerbsbeschränkung sowie mögliche auf dem Markt schon bestehende Zusammenarbeiten zu berücksichtigen.

Das Bundeskartellamt geht nach seiner bestehenden Verwaltungspraxis davon aus, dass die kritische Grenze für eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Allgemeinen bei einem gemeinsamen Marktanteil von 10 bis 15 % der beteiligten Unternehmen liegt.

Ein derartiger Marktanteil gilt für Absprachen über wesentliche Wettbewerbsbestandteile wie etwa die Festsetzung von Verkaufspreisen, Rabatten oder sonstigen Preisgrößen. Betrifft die Zusammenarbeit dagegen Absprachen über qualitativ weniger bedeutsame Größen, kann der Marktanteil der Beteiligten auch oberhalb eines Schwellenwertes von 15 % liegen.

Zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen ist die zwischenbetriebliche Kooperation dann geeignet, wenn eine Produktionsausweitung oder Qualitätserhöhung, Sortimentsverbreiterung, Verkürzung der Lieferwege oder -fristen, bessere Gestaltung der Einkaufs- oder Vertriebsorganisation oder eine gemeinsame Werbemaßnahme angestrebt wird.

Wann sind Mittelstandskartelle verboten?

Die Ausnahmeregelung in § 3 GWB greift nicht für:

  • vertikale wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, d. h. eine Kooperation über verschiedene Handelsstufen hinweg;
  • bloße abgestimmte Verhaltensweisen (etwa sogenannte gentlemen’s agreements), sondern nur für konkrete Vereinbarungen und Beschlüsse von Unternehmensvereinbarungen;
  • wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die den zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen können, weil insofern die Wertungen des Unionsrechts Priorität haben;
  • mittelständische Einkaufskooperationen: Eine Anwendung von § 3 GWB kommt aber im Einzelfall in Betracht, wenn die Einkaufskooperation nicht nach europäischen Recht zu prüfen ist.

Wann sind Freistellungen für ein Mittelstandskartell möglich?

Eine Freistellung nach § 3 GWB kommt nach der kartellrechtlichen Praxis bei folgenden Konstellationen infrage:

  • Auch unter § 3 GWB sind Kernbeschränkungen, wie etwa Preisabreden, nicht zulässig. Etwas anderes gilt jedoch, falls die Beschränkung gerade Ausdruck einer Verbesserung der innerbetrieblichen Relation von Aufwand und Ertrag ist. Folgende Partnerschaften sind in der Vergangenheit als von § 3 GWB umfasst betrachtet worden: (1) Preisabsprachen im Kontext einer Werbe- und Vertriebsgemeinschaft, wenn sie in direktem inneren Zusammenhang mit einer insgesamt auf Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ausgerichteten Zusammenarbeit stehen und der Rationalisierung dienen, wobei der Marktanteil des in Rede stehenden Kartells unterhalb von 10 % lag sowie (2) die Verpflichtung zum ausschließlichen Vertrieb über eine gemeinsame Verkaufsstelle (sog. Andienungszwang), wenn und soweit damit eine Rationalisierung verbunden ist, wobei der Marktanteil des in Rede stehenden Kartells unterhalb von 10 % lag.
  • Kooperationen in der Logistik und gemeinsame Werbemaßnahmen wurden in der Praxis des Bundeskartellamtes als freigestellt nach § 3 GWB betrachtet. Dies betrifft beispielsweise eine Konzentration der Lagerhaltung sowie eine Zusammenarbeit im Rahmen eines Informations- und Erfahrungsaustausches.
  • Hinsichtlich der Gründung gemeinsamer Einrichtungen hat das Bundeskartellamt bei einem gemeinsamen Marktanteil von unter 15 % eine Konstellation als zulässig nach § 3 GWB angesehen, bei der die beteiligten Unternehmen eine Gesellschaft für die zentrale Annahme von Aufträgen gründeten. Diese Gesellschaft vergab eingehende Aufträge je nach Geeignetheit der Unternehmen sowie nachrangig nach deren Kapazitätsauslastung.
  • § 3 Abs. 1 GWB kann bei einer Vereinbarung über einen gemeinschaftlichen Kunden- und Reparaturdienst einschlägig sein, bei denen sich die beteiligten Unternehmen vertraglich verpflichten, keinen eigenen, selbständigen Kunden oder Reparaturdienst einzurichten oder zu unterhalten.
  • Im Einzelfall können auch Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung oder Produktionsvereinbarungen Gegenstand einer Anwendung von § 3 GWB sein.

Was sind die Vorteile eines Mittelstandskartells?

Mögliche Kooperationsfelder für ein Mittelstandskartell sind Einkauf, Produktion, Marketing, Vertrieb, Verwaltung oder Forschung. Die Vorteile eines Mittelstandskartells können unter anderem sein:

Kosten senken

Ein gemeinschaftlicher Einkauf sichert kleinen und mittleren Unternehmen ähnlich gute Konditionen wie Großunternehmen.

Eine Produktionszusammenarbeit lastet vorhandene Kapazitäten besser aus und vermindert Produktionskosten. Auch gemeinsame Werbung, Vertriebsaktivitäten oder Büroorganisation reduzieren die Ausgaben.

Umsatz steigern

Gemeinsam können kleine und mittlere Unternehmen ihr Leistungsspektrum erweitern. Sie qualifizieren sich für größere Aufträge und konkurrieren mit größeren Unternehmen.

Eine Vertriebszusammenarbeit erschließt neue Absatzmärkte und Kunden. Der Aufbau einer überregionalen Vertriebsstruktur erübrigt sich, da ein Partner den anderen vertritt.

Qualität verbessern

Ein intensiver Erfahrungsaustausch trägt zur Entwicklung innovativer Produkte und Leistungen bei.

Ein gemeinsamer Kundendienst steigert die Servicequalität und verbessert das Markenimage. Auch neue Projekte, etwa im Bereich Energieeffizienz und Umweltschutz, lassen sich zusammen durchführen.

Das Wichtigste zum Mittelstandskartell in Kürze

Ein Mittelstandskartell kann für kleine und mittlere Unternehmen große wettbewerbliche Vorteile bringen, um im Wettbewerb mit Großunternehmen einer Branche bestehen zu können. Dies gilt insbesondere für Spezialisierungskartelle und Rationalisierungskartelle, die das GWB unter bestimmten Bedingungen zulässt.

Unter dem Dach eines Mittelstandskartells können beispielsweise an sich verbotene Preisabsprachen und Quotenbildungen erlaubt sein. Allerdings prüfen die Kartellbehörden genau, ob die Voraussetzungen für ein Mittelstandskartell gegeben sind. Zu beachten ist besonders, dass sich die Zulassungen auf deutsches Kartellrecht und seinen Anwendungsbereich beschränkt.

Aufgaben

  1. Welche Bereiche eignen sich besonders für die Kooperation im Rahmen eines Mittelstandskartells?

Einkauf, Produktion, Marketing, Vertrieb, Verwaltung, Forschung

Literaturhinweise

  1. Kapp, T./Janka, S. F./Jansen, G. (2021): Kartellrecht in der Unternehmenspraxis – Was Management, Compliance und Rechtsberater wissen müssen, 4. Auflage, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2021.

Übungsfragen

#1. In welchem Gesetzbuch werden Mittelstandskartelle behandelt?

#2. Warum sind Mittelstandskartelle unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt?

#3. Welche Absprachen sind auch in Mittelstandskartellen verboten?

#4. Vertikale wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen sind bei Mittelstandskartellen verboten.

#5. Als kritische Grenze für eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs sieht das Bundeskartellamt grundsätzlich einen gemeinsamen Marktanteil der beteiligten Unternehmen von 35 %.

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