Wie werden Prognosen für die Primärbedarfsplanung erstellt?
Soweit die von den Kunden akzeptierte Lieferzeit länger ist als die Fertigungsdurchlaufzeit, kann der Primärbedarf unter Umständen aus bereits vorliegenden Kundenaufträgen hergeleitet werden. Ein Prognoseproblem besteht dann nicht.
Allerdings reicht die am Markt durchsetzbare Lieferzeit auch bei kundenindividuellen Produkten häufig nur zur Durchführung der Endmontage aus, während Standardbaugruppen und -komponenten insbesondere aus Zeitgründen kundenanonym vorgefertigt werden müssen. Konsumgüter und die meisten Standardgüter werden ohnehin nicht nach Kundenauftrag gefertigt. Der Primärbedarf muss dann mittels Prognoserechnung ermittelt werden.
Die Ausgangsdaten für die Primärbedarfsprognose sind Abgangsmengen der Vergangenheit, Daten von Marktforschungsinstituten oder Vertriebsprognosen. Als Abgangsdaten der Vergangenheit können je nach Verfügbarkeit und Qualität die Zeitreihen Absatzdaten, Einkaufsmengen, Warenausgabemengen oder Bestellmengen zugrunde gelegt werden.
Typischerweise beziehen sich die dabei verwendeten Datenreihen auf ein relativ hohes Aggregationsniveau: Produktkategorie, Marke, Periode (Woche oder Monat) oder Verkaufsgebiet. Nur bei aggregierten Daten gleichen sich die statistische Fluktuation und Ungenauigkeiten der Basisdaten durch Mittelwertbildung aus, was eine Trendextrapolation erst ermöglicht. Detailliertere statistische Prognosen – etwa je Artikel und Kunde – scheitern an fehlender statistischer Masse und der damit einhergehenden strukturellen Instabilität der Zeitreihen.
Auf der Grundlage aggregierter Verkaufszahlen sowie geplanter Marketingaktivitäten wird eine Absatzprognose erstellt. Für die weitere Planung ist eine Disaggregation der Prognosedaten auf einzelne Varianten des Sortiments erforderlich – etwa Schuhgrößensortierung, Farbsortimente. Hierbei wird auf feste Verteilungsschlüssel, historische Prozentanteile oder vorhandene Planwerte zurückgegriffen.
Die aus solchen Prognosen abgeleiteten Fertigungsaufträge werden oft als Vertriebsaufträge bezeichnet, da der Vertrieb sowohl für die Prognose als auch für die daraus abgeleiteten Auftragsmengen verantwortlich ist. Die Prognose aufgrund von Vergangenheitsdaten erfolgt meist mittels einschlägiger Standardmodelle der Mittelwertbildung (gleitender Mittelwert, exponentielle Glättung) in Abhängigkeit von der Zeitreihencharakteristik (konstanter Verlauf, Trend, Saisonkomponente).
Bereits zum Zeitpunkt der Primärbedarfsplanung ist es sinnvoll, die voraussichtlich realisierten Verkaufsmengen mit den Fertigungs- und Beschaffungskapazitäten zu vergleichen. Zu diesem Zweck wird bereits auf aggregierter Ebene die voraussichtliche Beanspruchung möglicher Engpässe ermittelt und mit den verfügbaren Ressourcen abgeglichen.
SAP verwendet hierzu spezifische Grobplanungsprofile, die etwa den Feinblechbedarf für die Produktion eines Mikrowellenherdes abbilden, um die Verfügbarkeit dieses Vormaterials im Rahmen der Grobplanung berücksichtigen zu können.