Was ist Primärbedarfsplanung?

Die Primärbedarfsplanung ist die Planung des Bedarfs an verkaufsfähigen Erzeugnissen zur Befriedigung der Marktnachfrage. Zum Primärbedarf gehören nicht nur Endprodukte, sondern auch Komponenten, die beispielsweise als Ersatzteile verkauft werden.

Die Aufgabe der Absatz- und Produktionsgrobplanung ist es, den Primärbedarf unter Berücksichtigung eventuell bestehender Engpässe zu planen.

Wie funktioniert Primärbedarfsplanung?

Die Primärbedarfsplanung erfolgt häufig in der Form einer rollierenden Planung: Der Bedarf wird im Wochen- oder Monatsrhythmus (= Planungsperiode) für einen Planungshorizont von 0,5 bis 2 Jahren vorausgeplant.

PrimärbedarfsplanungDie Planungsperiode und der Planungshorizont hängen insbesondere von der durchschnittlichen Fertigungsdurchlaufzeit ab: Bei einer kurzzyklischen Fertigung mit einer Fertigungsdurchlaufzeit von wenigen Tagen oder Wochen wird eine Planung im Wochenrhythmus und ein kurzer Planungshorizont sinnvoll sein, während bei einer längeren Durchlaufzeit von beispielsweise 6 bis 8 Monaten eine Planung in monatlichem Rhythmus und ein Planungshorizont von 12 bis 24 Monaten zweckmäßig ist.

Bereits in diesem frühen Stadium der Produktionsplanung ist ein grober Abgleich des Primärbedarfs mit den verfügbaren Ressourcen und Kapazitäten vorzunehmen. Der Kapazitätsabgleich erfolgt in diesem Stadium pauschal über aggregierte Kapazitätsgruppen.

Beispiel:

Der Kapazitätsbedarf in einer Gießerei könnte etwa grob in Tonnen abgeschätzt und mit der durchschnittlichen monatlichen Tonnennleistung dieser Kapazitätsgruppe abgeglichen werden. Der detaillierte Abgleich mit den Einzelkapazitäten der Gießerei – wie Formerei, Abguss und Putzerei – erfolgt dann zeitnah zur Fertigung, mit Bezug auf technisch exakt beschriebene Arbeitsgänge.

Wie funktioniert der Kapazitätsabgleich bei der Primärbedarfsplanung?

Beim Kapazitätsabgleich ist der zeitliche Vorlauf, den die Fertigung benötigt, zu beachten. So muss etwa im Sondermaschinenbau mit der Fertigung der für eine Maschine benötigten Gussteile mehrere Wochen vor dem Fertigstellungstermin der Maschine begonnen werden.

Um dies beim Kapazitätsabgleich zu berücksichtigen, werden oftmals spezifische Kapazitätsbelastungsprofile verwendet, die für ein Primärbedarfsgut nicht nur das Volumen der benötigten Kapazität einer Einheit, sondern auch den zeitlichen Vorlauf, mit dem diese Kapazitäten belastet werden, angeben.

Die Planung dieser Vorlaufzeiten ist nicht unproblematisch. Je länger der Fertigungsdurchlauf im Durchschnitt benötigt, desto mehr kann die Durchlaufzeit eines einzelnen Auftrages vom Durchschnitt abweichen. Dies kann vielfältige Ursachen haben: Maschinenstörungen verzögern den Arbeitsfortschritt, andere Aufträge werden vorgezogen. Qualitätsmängel erfordern zeitaufwändige Nacharbeit.

Zu viele Störungen wirken auf den Fertigungsprozess ein, als dass ein exakter zeitlicher Ablauf vorgegeben werden könnte. Dies erschwert aber den Kapazitätsabgleich, da nicht mit Bestimmtheit vorhersehbar ist, wann die Kapazitätsbedarfe an den verschiedenen Leistungseinheiten entstehen. Diese Ungenauigkeit in der Planung erhöht wiederum die Abweichungen der Vorlaufzeiten. Die Planung mit festen Vorlaufzeiten ist deshalb eine Schwachstelle in der üblichen Planungssystematik.

Wie werden Prognosen für die Primärbedarfsplanung erstellt?

Soweit die von den Kunden akzeptierte Lieferzeit länger ist als die Fertigungsdurchlaufzeit, kann der Primärbedarf unter Umständen aus bereits vorliegenden Kundenaufträgen hergeleitet werden. Ein Prognoseproblem besteht dann nicht.

Allerdings reicht die am Markt durchsetzbare Lieferzeit auch bei kundenindividuellen Produkten häufig nur zur Durchführung der Endmontage aus, während Standardbaugruppen und -komponenten insbesondere aus Zeitgründen kundenanonym vorgefertigt werden müssen. Konsumgüter und die meisten Standardgüter werden ohnehin nicht nach Kundenauftrag gefertigt. Der Primärbedarf muss dann mittels Prognoserechnung ermittelt werden.

Die Ausgangsdaten für die Primärbedarfsprognose sind Abgangsmengen der Vergangenheit, Daten von Marktforschungsinstituten oder Vertriebsprognosen. Als Abgangsdaten der Vergangenheit können je nach Verfügbarkeit und Qualität die Zeitreihen Absatzdaten, Einkaufsmengen, Warenausgabemengen oder Bestellmengen zugrunde gelegt werden.

Typischerweise beziehen sich die dabei verwendeten Datenreihen auf ein relativ hohes Aggregationsniveau: Produktkategorie, Marke, Periode (Woche oder Monat) oder Verkaufsgebiet. Nur bei aggregierten Daten gleichen sich die statistische Fluktuation und Ungenauigkeiten der Basisdaten durch Mittelwertbildung aus, was eine Trendextrapolation erst ermöglicht. Detailliertere statistische Prognosen – etwa je Artikel und Kunde – scheitern an fehlender statistischer Masse und der damit einhergehenden strukturellen Instabilität der Zeitreihen.

Auf der Grundlage aggregierter Verkaufszahlen sowie geplanter Marketingaktivitäten wird eine Absatzprognose erstellt. Für die weitere Planung ist eine Disaggregation der Prognosedaten auf einzelne Varianten des Sortiments erforderlich – etwa Schuhgrößensortierung, Farbsortimente. Hierbei wird auf feste Verteilungsschlüssel, historische Prozentanteile oder vorhandene Planwerte zurückgegriffen.

Die aus solchen Prognosen abgeleiteten Fertigungsaufträge werden oft als Vertriebsaufträge bezeichnet, da der Vertrieb sowohl für die Prognose als auch für die daraus abgeleiteten Auftragsmengen verantwortlich ist. Die Prognose aufgrund von Vergangenheitsdaten erfolgt meist mittels einschlägiger Standardmodelle der Mittelwertbildung (gleitender Mittelwert, exponentielle Glättung) in Abhängigkeit von der Zeitreihencharakteristik (konstanter Verlauf, Trend, Saisonkomponente).

Bereits zum Zeitpunkt der Primärbedarfsplanung ist es sinnvoll, die voraussichtlich realisierten Verkaufsmengen mit den Fertigungs- und Beschaffungskapazitäten zu vergleichen. Zu diesem Zweck wird bereits auf aggregierter Ebene die voraussichtliche Beanspruchung möglicher Engpässe ermittelt und mit den verfügbaren Ressourcen abgeglichen.

SAP verwendet hierzu spezifische Grobplanungsprofile, die etwa den Feinblechbedarf für die Produktion eines Mikrowellenherdes abbilden, um die Verfügbarkeit dieses Vormaterials im Rahmen der Grobplanung berücksichtigen zu können.

Das Wichtigste zur Primärbedarfsplanung in Kürze

Die Primärbedarfsplanung legt die für den Markt zu fertigenden Mengen an Erzeugnissen und Komponenten fest.

Die Datengrundlage dafür sind die Daten der Vergangenheit und Prognosen für die Zukunft. Bereits zu diesem Planungszeitpunkt sollte ein grober Kapazitätsabgleich stattfinden.

Aufgaben

  1. Was versteht man unter Primärbedarf?
  2. Auf welche Informationsquellen kann sich die Ermittlung des Primärbedarfs stützen?
  3. Inwieweit hängt der Prognosehorizont der Primärbedarfsplanung von der Fertigungsdurchlaufzeit ab?
  1. Der Primärbedarf wird aus der Absatzplanung abgeleitet. Es handelt sich hierbei um den Bedarf an Produkten und Komponenten, er kann aus Kundenaufträgen oder aus Verkaufsprognose abgeleitet werden. Die Ebene der Primärbedarfsplanung (Endprodukt oder Baugruppe) hängt auch von der Bevorratungsebene ab.
  2. Der Primärbedarf kann entweder aus vorliegenden Kundenaufträgen abgeleitet werden oder aber aus Prognosen, die sich einerseits auf Vergangenheitsdaten und andererseits auf die erkennbaren Marktveränderungen in der Zukunft stützen.
  3. Der Prognosehorizont kann nicht kürzer sein als die Fertigungsdurchlaufzeit, da ansonsten nicht die nötige Zeit verfügbar wäre, um auf die Prognose zu reagieren. Beispiel: Fertigungsdurchlaufzeit drei Monate; die Bedarfsprognose müsste dann mindestens drei Monate in die Zukunft reichen.

Literaturhinweise

  1. Zelewski, S./Hohmann, S./Hügens, T. (2008): Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme: Konzepte und exemplarische Implementierungen mithilfe von SAP R/3, Oldenbourg Verlag München 2008.