Welchen Einfluss haben Gruppen und soziale Normen?
Solomon E. Asch (vgl. 1955, Opinions and Social Pressure, in: Scientific American 193(5), S. 31-35) zeigte in einer berühmten Untersuchung, dass Gruppeneinfluss manchmal selbst in sehr eindeutigen Situationen wirkt. Versuchspersonen in Gruppen von je acht Leuten bekamen drei Linien gezeigt und sollten sagen, welche von diesen genauso lang ist wie eine vorgegebene Referenzlinie.
In der Untersuchung gab es nur eine wirkliche Versuchsperson, die relativ spät mit ihrer Schätzung drankam, alle anderen waren Schauspieler, die für das Experiment rekrutiert worden waren. Diese gaben nun der Reihe nach absichtlich eine falsche Einschätzung ab.
Es gab mehrere dieser Aufgaben, und es zeigte sich, dass Versuchsteilnehmer zu 74 Prozent mit dem Strom schwammen, also eine falsche Lösung angaben, wenn die Vorgänger einheitlich diese falsche Antwort gegeben hatten – obwohl die richtige Antwort völlig offensichtlich war und sie diese eigentlich kannten. Eine kurze Video-Dokumentation des Asch-Experiments kann man hier sehen.
Wurden Versuchspersonen allein zur Schätzung gebeten, machten sie insgesamt nur 5 Prozent Fehler. Man kann hier von einem regelrechten Gruppenzwang sprechen, der vor allem motivational begründet ist: Man will sich vor anderen nicht blamieren. Wurden in anderen Studien die Versuchsteilnehmer gebeten, ihr Urteil heimlich aufzuschreiben statt es den anderen mitzuteilen, dann gaben die Versuchsteilnehmer viel häufiger die richtige, nonkonforme Lösung an.
Gruppenzwang wirkt auch als Informationswert in unsicheren Situationen: So viele Leute können nicht irren, denkt man vielleicht, wenn man überlegt, welches Auto man kaufen sollte, und beobachtet, dass zum Beispiel viele einen VW fahren.
Unter bestimmten Bedingungen treten solche Konformitätseffekte jedoch nicht auf: Wer eine starke Überzeugung hat, die anderen für dumm hält oder ihnen die Expertise abspricht, ist weniger stark zu beeinflussen. Auch wenn es keine eindeutige Lösung gibt, wie bei der Beurteilung von Kunst, sieht man diese Konformitätseffekte seltener. Sie treten nur dann auf, wenn die Gruppenmeinung einmütig ist – zweifeln einige Mitglieder, bleibt man bei seiner Meinung.