Wie erfolgt die Standortwahl eines Handelsbetriebes mit einem Raumgebiets-Modell?
Bei den Raumgebiets-Modellen geht es um die Bestimmung der räumlichen Grenzen von Marktgebieten. Dazu gibt es deterministische Ansätze (Gravitationsmodelle) und stochastische Ansätze (Potenzialmodelle). Bei den Gravitationsmodellen geht es um die Abgrenzung der Absatzreichweiten zwischen zwei Geschäftszentren. Dabei werden Kunden dichotom zugeteilt. Bei den Potenzialmodellen überlappen sich die Absatzreichweiten, und es werden Wahrscheinlichkeiten dafür benannt, dass Kunden dem einen oder dem anderen Zentrum zuwandern.
Grundlage der Berechnungen der Gravitationsmodelle ist das soziale Gesetz. Danach ist die Anzahl der Käufe (Interaktionen der Wohnbevölkerung eines Gebiets) in Nachbargebieten um so größer, je größer die Bevölkerung der Nachbargebiete ist und je geringer die Entfernungen von einem Standort zu ihnen sind. Die Anziehungskraft einer Region (und damit sich eines darin befindlichen einzelnen Standorts) ist proportional zum Produkt der Bevölkerung in der Region und in den Nachbargebieten und umgekehrt proportional zur Entfernung (manchmal zum Quadrat der Entfernung) zwischen einem Standort und den Nachbargebieten.
Oder konkreter: Zwei Zentren ziehen die einzelhandelsrelevante Kaufkraft (siehe Kaufkraftindex) eines zwischen den beiden Städten angesiedelten Nachfrageorts an sich, und zwar im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung und reziprok zu den Entfernungen der beiden Zentren zum dazwischen liegenden Ort. Dort, wo die Anziehungskräfte zweier Verkaufsorte auf Kunden gleich stark sind, liegt die relative Grenze ihres jeweiligen Einzugsgebiets. Die relativen Grenzen mehrerer Nachbargebiete verbunden ergeben die absolute Grenze der Region (Isokurve), d. h. die größte Entfernung zum Verkaufsort, bis zu dem noch Kunden an diesem Verkaufsort kaufen und nicht zu einem Nachbargebiet abwandern.
Dem liegen allerdings rigide, modelltheoretische Prämissen zugrunde. So muss der Kunde in der Lage sein, den Nutzen von Fahrten in die einzelnen Gebiete zu bestimmen. Der Nettonutzen (Ertrag des Kaufs minus Aufwand der Fahrt) muss dabei immer positiv bleiben. Der Kunde plant seine Fahrten so, dass der Gesamtnutzen aus allen Fahrten maximiert wird. Die Fahrten verursachen Kosten, die zu den zurückgelegten Entfernungen exakt proportional sind.
Die Kunden haben ein vorgegebenes, über alle Haushalte gleiches Budget. Problematisch ist auch die Operationalisierung des Begriffs Attraktivität. Denkbar sind Indikatoren wie Gesamteindruck des Verkaufsorts, Topographie im Zentrum, Besetzung mit Geschäften, Gebäudewirkung, Schaufensterwerbung, Lauflage, Fußgängerzone, Parkmöglichkeiten, Großbetriebsformen mit Magnetwirkung usw.
Grundlage der Berechnung der Potenzialmodelle sind Wahrscheinlichkeiten für den Nutzen eines Kunden, der in der einen Region wohnt und in für ihn erreichbaren Nachbargebieten einkauft. Oder konkreter: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kunde seinen Bedarf nicht am Wohnort, sondern in einer benachbarten Geschäftsagglomeration deckt, steht in direkter Beziehung zum Agglomerationsgrad der für ihn erreichbaren Einkaufsorte und deren Entfernung zu seinem Standort. Ausschlaggebend ist also nicht der absolute Nutzen eines Einkaufs, sondern der um die dafür aufzuwendenden Kosten reduzierte relative Nutzen. Dieser Nettonutzen kann in Attraktivitätsindices erfasst werden.
Dabei kann von objektiven Größen (Fahrtstrecke, Verkaufsfläche, Preisniveau, Service, Sortimentsbreite, Öffnungszeit usw.) ausgegangen werden, oder, was sinnvoller ist, von subjektiv wahrgenommenen Größen. Allerdings dürften diese Werte als Widerstandskoeffizienten für jede Warengruppe anders ausfallen, sodass praktisch unendlich viele Berechnungen erforderlich sind. Der Einkauf erfolgt umso eher am Standort, je geringer die Mobilität, je knapper Zeit und Geld, je dringlicher Bedarfe, je kürzer Einkaufsintervalle, je gleichartiger Angebote und je geringwertiger Einkaufsgüter sind.