Wie können Betriebsformen des Großhandels klassifiziert werden?

Analog zu den Betriebsformen des Einzelhandels lassen sich Betriebsformen des Großhandels bestimmen und klassifizieren. Auch dafür gibt es charakteristische Kriterien zur Einteilung. Dazu gehören:

Warenübergang

Der Warenübergang kann am Ort des Großhändlers (Residenzprinzip) oder des Abnehmers (Domizilprinzip) erfolgen. Dementsprechend handelt es sich um den Abhol-Großhandel (auch Cash & carry-Großhandel genannt) oder den Zustell-Großhandel (welcher die Regel ist).

Logistikleistung

Die Logistikleistung kann die Warenprozessleistung beinhalten (also mit Warenlagerung) oder ausschließen (also ohne Warenlagerung). Dementsprechend handelt es sich um den Überlager-Großhandel (der die Regel ist) oder den Strecken-Großhandel.

Serviceumfang

Der Serviceumfang kann die reine Warenverfügbarkeit betreffen oder darüber hinaus die Auffüllung, Pflege und Abrechnung der Platzierung. Man spricht in diesem Fall vom Service-Großhandel auch (Rack Jobber-Großhandel genannt).

Sortimentsplanung

Der Sortimentsplanung kann Waren als durchgängiges Programm oder fallweise Posten vorsehen. Dementsprechend handelt es sich um den Sortiments-Großhandel (bei breitem Angebot) bzw. dem Spezial-Großhandel (bei engem Angebot) einerseits oder den Posten-Großhandel (z. B. Havariewaren) andererseits.

Organisation

Die rechtliche Organisation kann einzelwirtschaftlich oder genossenschaftlich erfolgen. Dementsprechend handelt es sich um als Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft geführten Großhandel oder um Genossenschafts-Großhandel (vor allem im Agrarbereich üblich).

Ausrichtung

Die Ausrichtung am Markt kann am Warenaufkauf, also eher einkaufs-orientiert, oder am Warenabsatz, also eher verkaufs-orientiert erfolgen. Dementsprechend handelt es sich um Aufkauf-Großhandel oder Absatz-Großhandel.

Warenarten

Bei den Warenarten kann es um eine eher erzeugungsnahe oder eher verbrauchsnahe Orientierung gehen. Dementsprechend handelt es sich um naturnahen Großhandel oder konsumnahen Großhandel.

Aktionsgebiet

Das Aktionsgebiet kann sich auf den Inlandsmarkt oder auf Auslandsmärkte erstrecken. Dementsprechend handelt es sich um Binnen-Großhandel oder Außen-Großhandel.

Kundenstruktur

Die Kundenstruktur kann eher Wiederverkäufer und private Großabnehmer oder Weiterverarbeiter und gewerbliche Abnehmer vorsehen. Man spricht dann von Produktionsverbindungs- bzw. Handwerks-Großhandel.

Welche konkreten Ausformungen der Betriebsformen des Großhandels gibt es?

Die Betriebsformen des Großhandels sind häufig vorkommende Kombinationen spezifischer Ausprägungen der genannten Kriterien. Dementsprechend lassen sich verschiedene prototypische Handelsgeschäfte unterscheiden, die im Folgenden aufgelistet sind:

  • Aufkaufgroßhandel
  • Absatzgroßhandel
  • Sortimentsgroßhandel
  • Spezialgroßhandel
  • Bedienungsgroßhandel
  • SB-Großhandel
  • Zustellgroßhandel
  • Abholgroßhandel
  • Lagergroßhandel
  • Regalgroßhandel
  • Streckengroßhandel
  • Großmarkt

Welche Vor- und Nachteile entstehen durch die Einschaltung der Betriebsformen des Großhandels?

In neuerer Zeit wird seitens der Hersteller ein starker Trend zur Ausschaltung von Absatzstufen hin zu immer direkterem Absatzweg sichtbar (Disintermediation). Denn jede Handelsstufe behält natürlich ihren Distributionsgewinn in Form von Kalkulationsaufschlag/Handelsspanne ein, der den Endverbraucherpreis verteuert und damit die Wettbewerbsfähigkeit erschwert.

Können Stufen umgangen werden, hier vor allem der Großhandel, erhöht dies bei gleichem Endverbraucherpreis womöglich den Nettoertrag des Herstellers. Es stellt sich daher die Frage, welche spezifischen Vor- und Nachteile aus der Sicht des Herstellers die Einschaltung des Großhandels in den Absatzweg erbringt.

Betriebsformen des GroßhandelsZunächst zu den Vorteilen: Der großhandelseigene Außendienst wird zur Akquisition von Aufträgen eingesetzt, die mit Waren des Lieferanten abgewickelt werden. Dadurch vergrößern sich die Akquisitionschancen. Zusätzlicher Werbedruck entsteht durch Aufnahme der Waren in großhandelseigene Werbemittel, die schon an die Einzelhandelsstufe richten.

Auch Kleinstaufträge sind für den Hersteller kostengünstig abwickelbar, indem auftragsfixe Kosten vermieden werden, die ansonsten die Rendite stark belasten. Vorhandene Kundenbeziehungen des Großhandels führen zu einer schnelleren Markterschließung. Dies gilt gerade für neue Produkte und Hersteller. Auch Gebiete mit geringer Gewerbedichte können für den Absatz erschlossen werden, da der Großhandel flächendeckend arbeitet.

Nachteile, die aus der Einschaltung des Großhandels entstehen, sind hingegen folgende: Das eigene Produkt wird wegen des breiten Sortiments im Großhandel zu wenig gefördert. Es steht zudem in direkter Konkurrenz zu gleichartigen anderen. Die Akquisition beim Großhandel erfordert ihrerseits eine eigene Außendienstorganisation, die die Rentabilität, wenngleich weniger als bei direktem Vertrieb, belastet.

Konflikte im Absatzkanal sind möglich, wenn der Großhandel egoistische eigene Ziele, die von denen der Hersteller abweichen, verfolgt und durchsetzt. Womöglich entsteht eine Abhängigkeit von großen Großhändlern durch fehlenden eigenen Zugriff auf die Einzelhandelsstufe. Die damit verbundene Nachfragemacht engt Entscheidungsspielräume ein. Der Einbehalt einer Distributionsspanne durch die Großhandelsstufe verteuert die Ware am Markt bzw. schmälert die Herstellmarge.

Der Großhandel versucht zudem durch leistungsergänzende Aktivitäten seinen Bestand im Absatzkanal zu sichern. Dazu gehören etwa:

  • die Unterstützung in der Betriebsorganisation bei den belieferten Einzelhändlern,
  • die Hilfe bei der Absatzförderung durch Mittel zur Präsentation und Dekoration,
  • der zielorientierte Produktservice für Sortimentsauswahl, Mengen und Bestellzeitpunkte,
  • die Finanzierung durch vorteilhafte Kreditierung (Zinssatz, Laufzeit) von Lieferungen,
  • das Personalmanagement über Beschaffung, Auswahl und Schulung,
  • die Beratung bei der Kommunikation in Werbung, Aktionen und Events,
  • die Logistik durch Hilfen bei Transport und Lagerung.