Was ist das SCOR-Modell?

Das SCOR-Modell (Supply-Chain-Operations-Reference-Modell) unterteilt die Lieferkette in idealtypische Geschäftsprozesse und Prozesskategorien. Die standardisierte Struktur gestattet eine unternehmensübergreifende Analyse aller Informations-, Finanz- und Warenströme der Wertschöpfungskette.

Unternehmen können auf Basis der Datenanalyse lang-, mittel- und kurzfristig planen, Effizienz und Effektivität des Supply-Chain-Managements steigern und die Abläufe zwischen Zulieferern, Herstellern und Kunden abstimmen und vergleichen.

Wie funktioniert das SCOR-Modell auf der Geschäftsprozessebene?

Das Referenzmodell besteht aus drei hierarchisch geordneten Detaillierungsebenen.

SCOR-ModellDie hierarchische Strukturierung der Abläufe ermöglicht es, das SCOR-Modell auf verschiedene Branchen und Industrien anzuwenden. Die erste und oberste Ebene (Level 1) des Modells setzt sich aus sechs grundsätzlichen Kernprozessen zusammen und gilt als strategische Ebene. Hier finden sich die organisatorischen Kernprozesse.

  • Planen (plan): Hierzu gehören alle vorbereitenden Aktivitäten zu den Ausführungsprozessen, wie Ressourcenzuweisung, Aggregation der Beschaffungs-, Produktions- und Distributionsanforderungen, Kapazitätsplanung und Auftragsverteilung, außerdem Infrastrukturplanungen wie beispielsweise die Langfristplanung der Ressourcen, Kapazitäten und Produkte sowie Make-or-Buy-Entscheidungen.
  • Beschaffen (source): Die Beschaffungsprozesse umfassen den Erwerb, den Erhalt, die Prüfung und die Bereitstellung eingehenden Materials, sowie die entsprechenden Infrastrukturmaßnahmen (Lieferantenauswahl, Liefervertragsgestaltung).
  • Herstellen (make): Prozesse, die die Güter in ihren Endzustand überführen, um die vorhergesagte oder wirkliche Nachfrage zu befriedigen.
  • Liefern (deliver): Prozesse, die Fertigwaren oder Leistungen liefern, um die vorhergesagte oder wirkliche Nachfrage zu befriedigen; beinhaltet typischerweise das Auftragsmanagement, das Transportmanagement und das Lagermanagement.
  • Zurückliefern (return): Kundendienst- und Lieferantenprozesse in Verbindung mit jeder Art von Warenrücknahme und -entsorgung.
  • Unterstützen (enable): Prozesse in Verbindung mit Supply-Chain-Management, z. B. Geschäftsregeln, Datenbestände, Risikomanagement, gesetzliche Vorgaben, Vertrags- und Geschäftsregelungen.

Wie funktioniert das SCOR-Modell auf der Konfigurationsebene?

Das SCOR-Modell wird durch die zweite taktische Ebene (Level 2) in drei Prozesstypen gegliedert. Diese vereinfachte Gliederung kommt der Leistungsfähigkeit der Lieferkette unternehmens- und branchenunabhängig zu statten.

Standardisierte Hierarchien ermöglichen die Leistungswerte (Performance) an Firmen unterschiedlicher Größenordnungen anzupassen und ein Best-Practices-Katalog unabhängig von der Firmenspezialisierung zu entwerfen.

Die drei übergeordneten Prozesstypen der Konfigurationsebene sind:

  • Planung (planning): Verfügbarkeit von Rohmaterialien und Erstellung von Planungszeiträumen, um vorgesehenen Bedarf und erwartete Nachfrage zu erfüllen.
  • Ausführung (execution): Prozesse, die auf dem Planungsprozess basieren und je nach realer oder aggregierter Nachfrage Zustände der Produkte beeinflussen (z. B. Verteilung, Steuerung, Transformation, Umleitung).
  • Unterstützung (enable): Alle Prozesse, die durch Analyse und Bewertung der Planungs- und Leistungsdaten Informationen und Leistungen zwischen den Lieferkettenpartnern organisieren und vorbereiten.

Wie funktioniert das SCOR-Modell auf der Gestaltungsebene?

Die dritte, operative Ebene (Level 3) nennt sich Gestaltungsebene und dient dazu die Prozesse der Konfigurationsebene noch einmal in Detail- und Unterprozesse zu zerlegen und auf Basis von Input-Output-Relationen kausal zu ordnen.

Ein evaluierendes Kennzahlensystem hat die Aufgabe, die Prozesselemente (z. B. Kosten, Unternehmensplanung, Kapazitätsprüfung) zu bewerten und zu analysieren und den finanziellen Erfolg eines Unternehmens zu messen. Auf der Gestaltungsebene findet die eigentliche Definition von Prozesselementen und somit der erste Schritt zur Effizienzsteigerung und Lieferkettenoptimierung durch das SCOR-Modell statt.

Wie funktioniert das SCOR-Modell auf der Implementierungsebene?

Die vierte Ebene (Level 4) nennt sich Implementierungsebene. Hier werden die Aufgaben und Aktivitäten für jedes Prozesselement beschrieben.

Im Kern geht es dabei um die Implementation der hinter den Prozesselementen der dritten Ebene stehenden Einzelaktivitäten (beispielsweise Kalkulation von Preisen oder die Definition von Lieferterminen).

Was sind die vier Säulen des SCOR-Modells?

Neben den bereits genannten Konzeptualisierungen der Supply Chain werden Prozessabläufe zwischen Unternehmen und internen und externen Partnern noch in vier Hauptsäulen gegliedert. Diese vier Säulen beschreiben das SCOR-Modell als Referenzrahmen und machen es für alle Branchen anwendbar.

Durch festgelegte Abläufe und Kennzahlen lässt sich das Modell zur Kosten- / Leistungsoptimierung im einfachen oder komplexen Supply-Chain-Management verwenden.

Erste Säule: Prozessmodellierung

Die erste Säule des SCOR-Modells umfasst die bereits beschriebenen sechs Prozesskategorien (Planen, Beschaffen, Herstellen, Liefern, Zurückliefern, Unterstützen) und die Prozesstypen Planen, Ausführen und Ermöglichen.

Die Modellierung einer Wertschöpfungskette führt auf der Gestaltungsebene Standards ein, die eine Beschreibung der Performance gestatten. Durch Kategorisierung und Typisierung der Prozessabläufe können Unternehmen ihren Schwerpunkt darauf legen, die Qualität und Kosteneffizienz der Produktion und Lieferung zu verbessern.

Das Referenzmodell aus hierarchisch geordneten Prozessabläufen, ermöglicht es Unternehmen, mit ihren Partnern entlang der Supply Chain über Leistungen zu kommunizieren, Prozesse zu gestalten und Performance zu beschreiben.

Zweite Säule: Performance-Messung

Die zweite Säule im SFOR-Modell nutzt ein vereinheitlichtes Kennzahlensystem aus über 150 Kennzahlen. SCOR-Kennzahlen sind hierarchisch aufgebaut. Zu jedem Detailprozess im SCOR-Modell gehören Kennzahlen zur internen Bewertung der Performance von Partnern und externen Analyse der Lieferkette. Im Supply-Chain-Management wird zwischen der Unternehmenssicht (internal-facing) und der Abnehmersicht (customer-facing) differenziert.

Aus Unternehmersicht (internal) bewerten spezifische Kennzahlen die Leistungsattribute, Kosten und Kapitaleinsatz. Aus Kundensicht (external) gilt es Lieferzuverlässigkeit, Reaktionsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit zu bewerten. Kennzahlen ermöglichen es, die Performance der einzelnen Partner innerhalb der Lieferkette und die Leistungsfähigkeit und Effizienz der gesamten Lieferkette zu messen und zu beschreiben.

Die Bewertung erfolgt in den Kategorien Leistung, Kosten und Planungs- / Ausführungsdauer und ermöglicht es, Prozesse mit vorbildlichen Leistungswerten (Best Practices) und konkurrierenden Supply-Chain-Strategien zu vergleichen. Der hierarchische und mehrdimensionale Aufbau der Kennzahlen erlaubt es, Prozesse wie Durchlaufzeit mit Leistungskennzahlen oder Servicegrad mit Pünktlichkeit und Liefermenge zu koppeln und zu verbessern.

Dritte Säule: Best Practice

Die Verwendung des SCOR-Modells dient dem Zweck, den Auftrag mit dem effizientesten Aufwand zu realisieren. Das bedeutet, ein Gleichgewicht zwischen vollständiger Auslieferung, korrekter Positionsmenge, Pünktlichkeit aus Kundensicht, Zuverlässigkeit und Kosteneffizienz zu verwirklichen.

Um die Performance in jedem Abschnitt der Supply Chain abzuschätzen, braucht es Best-Practice-Werte als Orientierung und Vergleichsgrößen. Diese Best-Practice-Werte können kundenbezogene, unternehmensinterne, aktionärsbezogene und unternehmensübergreifende Leistungswerte umfassen. Durch die Gegenüberstellung sind Rückschlüsse auf die eigene Performance und lang., mittel- und kurzfristig auch auf die Leistungsfähigkeit möglich.

Vierte Säule: Positive Auswirkungen auf gewünschte Betriebsergebnisse

Nach der Analyse der Performance-Messung auf der Grundlage realer, anvisierter und idealer Kennzahlen und Leistungsdaten sind positive Auswirkungen (z. B. Gewinn-, Leistungssteigerung und Kostensenkung) zu ermitteln und Prozesse, die zu einer Leistungserhöhung führten, zu standardisieren und Wertetabellen aufzunehmen.

Andererseits soll die Kennzahlen-Metrik eine Kostensenkung entlang der Lieferkette (Material- und Personalkosten, Kosten für Lager- und Transportlogistik, Rücknahmekosten) erreichen.

Was sind die Vor- und Nachteile des SCOR-Modells?

Im Einzelnen weist das SCOR-Modell folgende Vor- und Nachteile auf:

Vorteile:

  • tiefgehende Analyse und Ordnung der gesamten Lieferkette möglich,
  • gibt Kennzahlen zur Leistungsmessung vor,
  • einheitlicher Standard für die Leistungsmessung und Kommunikation,
  • Learnings von Geschäftspartnern möglich.

Nachteile:

  • hohe Abhängigkeit von den verschiedenen Geschäftspartnern,
  • Abteilungen abseits der Lieferkette (Marketing, Entwicklung, After-Sales-Management) bleiben unberücksichtigt,
  • Finanzströme werden nicht berücksichtigt.

Das Wichtigste zum SCOR-Modell in Kürze

Mit dem Supply Chain Operations Reference-Modell (SCOR-Modell) wird ein einheitliches, vergleichbares und bewertbares Prozessmodell für Logistik präsentiert, das in ein Kennzahlensystem eingebunden ist. Im Rahmen des SCOR-Modells werden Lieferketten-Prozesse definiert und Best Practice-Analysen durchgeführt. Es dient dazu, die Lieferkette zu beschreiben und zu visualisieren. Somit trägt es zu höherer Transparenz bei. Hierzu dienen als Hilfsmittel

  • ein Rahmenwerk,
  • eine Standardterminologie und
  • Kennzahlen für ein Benchmarking.

Das SCOR-Modell ist somit ein Ansatz, um unternehmensübergreifende Prozessketten zu standardisieren. Hierdurch lassen sich

  • ein gemeinsames Verständnis der Abläufe erreichen,
  • die Leistung von Lieferketten zu bewerten und zu vergleichen,
  • integrierte Supply Chains über die Beteiligten der Lieferkette hinweg gestalten,
  • die Einsatzgebiete und Funktionalitäten von Software in der Supply Chain identifizieren sowie
  • ein Erfahrungsaustausch zwischen den Teilnehmern initiieren und unterstützen.

Das SCOR-Modell sollte jedoch nicht als ein alleinstehender Ansatz zur Verwirklichung einer erfolgreichen Supply Chain betrachtet werden. Insbesondere in Kombination mit anderen Führungsmodellen, wie z. B. dem Veränderungsmanagement oder der Geschäftsprozess-Optimierung, kann der SCOR-Ansatz zu einem langfristigen Erfolg des Unternehmens führen.

Aufgaben

  1. Welche Kernprozesse werden auf der Geschäftsprozessebene unterschieden?
  2. In welche vier Säulen werden die Prozessabläufe gegliedert?
  1. Planen (plan), beschaffen (source), herstellen (make), liefern (deliver), zurückliefern (return), unterstützen (enable).
  2. Prozessmodellierung, Performance-Messung, Best Practice, positive Auswirkungen auf gewünschte Betriebsergebnisse.

Literaturhinweise

  1. Poluha, Rolf G. (2014): Anwendung des SCOR-Modells zur Analyse der Supply Chain, 6. überarbeitete Auflage, 2014.