Was ist ein gutgläubiger Erwerb?
Ein gutgläubiger Erwerb bezeichnet kurz gesagt einen Eigentumserwerb von einem Nichtberechtigten. Für den gutgläubigen Erwerb sind im Einzelnen folgende vier Voraussetzungen erforderlich, die wir in den folgenden Abschnitten näher erläutern werden:
- Gutgläubigkeit des Erwerbers
- Rechtsschein des Besitzes
- Kein Abhandenkommen der Sache
- Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäftes
Was ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers?
Ein gutgläubiger Mensch unterstellt, dass der Verkäufer Eigentümer ist und deshalb auch nicht grob fahrlässig handelt.
Nicht in gutem Glauben ist dagegen, wer entweder weiß, dass der Veräußerer nicht Eigentümer ist, oder wem dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist (§ 932 II BGB). Wer das außer Acht lässt, was in der gegebenen Situation jedem hätte einleuchten müssen, handelt grob fahrlässig.
Beispiel:
Viktor hat sich von Erik ein Fahrrad ausgeliehen und verkauft es weiter an den gutgläubigen Klaus. Soweit Klaus keine Anhaltspunkte hat, misstrauisch zu werden, ist er gutgläubig. Sind solche Anhaltspunkte dagegen vorhanden, beispielsweise ein riesiger Schriftzug auf dem Fahrrad mit der Aufschrift „Dieses Fahrrad gehört Erik“, so handelt Klaus grob fahrlässig, wenn er sich insoweit nicht weiter erkundigt. Er erwirbt dann nicht gutgläubig Eigentum.
Grundsätzlich ist nur der gute Glaube an das Eigentum geschützt, nicht dagegen an die Verfügungsbefugnis des Veräußerers. Der gute Glaube an die Verfügungsbefugnis ist aber ausnahmsweise unter Kaufmännern geschützt (§ 366 HGB).
Was bedeutet gutgläubiger Erwerb im HGB?
§ 366 HGB dehnt die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs weiter aus in den Fällen, in denen ein Kaufmann im Betrieb eines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache veräußert oder verpfändet.
Der Erwerber ist hier auch dann geschützt, wenn er guten Glaubens hinsichtlich der Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders war, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen. Der gute Glaube berücksichtigt hier sowohl das Eigentum des Verkäufers an der Sache als auch die Möglichkeit der Verfügung über die Sache.
So ist beispielsweise der Käufer eines Kraftfahrzeugs bei einem Gebrauchtwarenhändler geschützt, wenn er guten Glaubens ist, dass der Gebrauchtwagen bei diesem in Kommission gegeben sei.
Was ist ein Rechtsschein des Besitzes?
Der Veräußerer muss im Besitz der Sache sein. Nur in diesem Fall darf der Erwerber wirklich darauf vertrauen, dass der Verkäufer auch Eigentümer der Sache ist. Gemäß § 1006 BGB wird zugunsten des Besitzers einer Sache vermutet, dass er auch Eigentümer ist.
Dabei gilt die Vermutung auch zugunsten des mittelbaren Besitzers (§ 2006 II BGB). Spezielle Regeln werden aber dann angewendet, falls die Übergabe durch ein Übergabesurrogat ausgetauscht wurde.
Bei der Übergabe kurzer Hand nach § 929 Satz 2 BGB gilt die Vorschrift des § 932 I Satz 2 BGB: Ein gutgläubiger Erwerb ist nur dann möglich, wenn der Besitz an der Sache gerade vom Veräußerer erlangt wurde.
Das Besitzkonstitut nach § 930 BGB impliziert nach § 933 BGB, dass ein gutgläubiger Erwerb vom Veräußerer verlangt, dem Erwerber die Sache doch noch tatsächlich zu übergeben.
Beim Erwerb einer Sache durch Abtretung des Herausgabeanspruches gegen einen Dritten gemäß § 931 BGB kommt es dagegen nach § 934 BGB darauf an: Ist der Veräußerer mittelbarer Besitzer der Sache, erwirbt der Erwerber gutgläubig schon mit Abtretung des Anspruches. Hat der Veräußerer dagegen keine besitzrechtliche Beziehung zur Sache, so erwirbt der Erwerber erst dann, wenn ihm von dem Dritten tatsächlich Besitz an der Sache verschafft wird.
Was ist ein Abhandenkommen der Sache?
Sollte die Sache dem Eigentümer gestohlen oder sonst abhandengekommen sein, ist ein gutgläubiger Erwerb nach § 935 BGB ausgeschlossen.
Beispiel:
Bernd entwendet Alf sein Fahrrad und verkauft es weiter an den gutgläubigen Christian. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb des Christians kommt wegen § 935 BGB nicht infrage.
Abhandenkommen bedeutet den unfreiwilligen Verlust des unmittelbaren Besitzes. Nach dieser Definition kommt es auf das Abhandenkommen des unmittelbaren Besitzes an. Der unfreiwillige Verlust des mittelbaren Besitzes ist also unschädlich.
Beispiel:
Alf überlässt sein Fahrrad dem Bernd, der es weiter an den gutgläubigen Christian verkauft. Kein Abhandenkommen: Alf verliert unfreiwillig nur seinen mittelbaren Besitz. Der unmittelbare Besitzer Bernd dagegen gibt den Besitz an Christian freiwillig aus der Hand.
Für das Abhandenkommen spielt immer der unmittelbare Besitzer eine Rolle.
Was ist ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts?
Ein gutgläubiger Erwerb kommt nur in Betracht, wenn es sich um ein Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts handelt. Mit der Beschränkung des gutgläubigen Erwerbs auf Rechtsgeschäfte ist gemeint, dass die Vorschriften der §§ 932 ff. BGB keine Anwendung finden bei Erwerb durch Gesetz (z. B. Erbfall gemäß § 1922 BGB) oder durch Hoheitsakt (z. B. Zwangsversteigerung in der Zwangsvollstreckung).
Dies wird auch dann angewendet, sofern ein rechtsgeschäftlicher Erwerb einen gesetzlichen Erwerb beziehungsweise Erwerb durch Hoheitsakt nur ablösen soll, beispielsweise bei vorweggenommener Erbfolge.
Falls zwischen Verkäufer und Erwerber der Sache auch keine wirtschaftliche Übereinstimmung vorhanden ist, liegt ein Verkehrsgeschäft vor.
Beispiel:
Alf veräußert einen Pkw an seine GmbH und wieder zurück.
Solche trickreichen Geschäfte sollen vom gutgläubigen Erwerb ausgeschlossen werden, denn die §§ 932 ff. BGB wollen nur den Rechtsverkehr, nicht dagegen den Veräußerer schützen.
Beispiele
Beispiel 1:
Person A verkauft eine präzise Fälschung eines limitierten und im Wiederverkauf teuren Schuhs (Wert: 1400 €) an Person B für 1000 €.
B geht davon aus, dass der Schuh echt ist, da ihm an dem Schuh keine Makel bzw. Anzeichen auf eine Fälschung auffallen. Die Rechnung war allerdings nicht vorhanden beim Kauf. B trägt diesen Schuh eine Zeit lang und will ihn dann für 1100 € verkaufen, da der Marktwert mittlerweile gestiegen ist.
Person C kauft den Schuh von B und B meint, er habe ihn selbst im Wiederverkauf erworben und kann somit keine Garantie geben, dass der Schuh echt ist, er jedoch davon ausgeht. C untersucht den Schuh nach dem Erwerb und findet heraus, dass es eine Fälschung ist. Er will B anzeigen, der meint jedoch, dass er selbst einen gutgläubigen Kauf geleistet hat.
Wer kann in diesem Fall belangt werden?