Welche Besonderheiten weist das Handelscontrolling auf?
Handelscontrolling lässt sich definieren als ein Teilbereich der Unternehmensführung von Handelsbetrieben, dessen Hauptaufgabe die Planung, Steuerung und Kontrolle aller Unternehmensbereiche ist. Im Handelscontrolling laufen die Daten des Rechnungswesens und anderer Quellen zusammen.
Handelscontrolling weist Besonderheiten auf, die aus den Bedingungen, unter denen in einem Handelsunternehmen geplant, geführt, kontrolliert und organisiert, also gemanagt wird, resultieren.
Erstens sind die standortspezifischen Einflüsse zu berücksichtigen. Jeder Standort zeichnet sich durch eigene Strukturen und Verhaltensweise der Marktpartner aus. Die Vielfalt der Einflüsse steigt, wenn Handelsunternehmen über mehrere Betriebe verfügen, wie beispielsweise Filialsysteme und kooperierende Gruppen.
Zweitens muss jedes Handelsunternehmen einen hohen sortimentsspezifischen Informationsbedarf decken, und zwar sowohl im Beschaffungs- als auch im Absatzbereich. Die Anforderungen an das Handelsmanagement wachsen mit der Breite und Tiefe des Sortiments, mit der Anzahl der vertretenen Branchen und der Vertriebslinien.
Die Bandbreite reicht von Unternehmen mit einer Branche und einem Betriebstyp, wie z. B. Aldi (Lebensmittel/Discounter), über Unternehmen mit einer Branche und mehreren Betriebstypen, beispielsweise Görtz (Schuhe/zielgruppenspezifische Betriebstypen: Lady Görtz, Franco Francesco, Görtz M, Görtz 17) oder Electronic Partner (Elektrohandel/Fachgeschäfte, Fachmärkte), bis hin zu Unternehmen mit mehreren Branchen und mehreren Betriebstypen, wie etwa Rewe oder Douglas.
Drittens hat das Handelsmanagement eine Vielzahl von Abstimmungsproblemen zu bewältigen, die in Bezug auf die verschiedenartigen Artikel, zwischen den verschiedenen Abteilungen einer Betriebsstätte, der Handelszentrale und den Betriebstätten sowie zwischen den Betriebsstätten und den Vertriebslinien auftreten. Ein Kernproblem ist dabei die Koordination zwischen Einkauf und Verkauf.
Viertens bleibt den Produkten des Handels, den Einkaufsstätten, die Absicherung durch gewerbliche Schutzrechte weitgehend versagt. Während Hersteller mit Patenten, Gebrauchsmustern und Geschmacksmustern technisch-funktionale und ästhetische Eigenschaften ihrer Produkte vor unzulässiger Nachahmung schützen können, kann sich ein Handelsunternehmen mit rechtlichen Mitteln nicht wehren, wenn zum Beispiel sein erfolgreiches Fachmarktkonzept abgekupfert wird. Dagegen werden die Hersteller ihre rechtlichen Schutzpositionen aktivieren, um sich gegen Produktpiraterie zu verteidigen.
Fünftens steigt der Anpassungsbedarf eines Handelsunternehmens, wenn die Umstellungsflexibilität der Konkurrenz hoch ist. In kaum einem Wirtschaftssektor ist die Flexibilität so groß wie im Einzelhandel. Wer allein das äußere Erscheinungsbild der Handelslandschaft einer Stadt betrachtet, wird feststellen, wie schnell Handelsunternehmen in der Lage sind, bisherige Standorte aufzugeben, sie zu verlagern, mit der Konkurrenz zu tauschen oder an einem vorhandenen Standort das Betreibungskonzept, in der Regel verbunden mit einem Umbau, radikal zu verändern. Die Umstellungsflexibilität der Konkurrenz wird nicht zuletzt auch durch die fehlenden Schutzrechte begünstigt, was ihr die unverzügliche und legale Nachahmung erfolgreicher Praktiken erlaubt.
Sechstens ist im Bereich der Personalführung auf die schwer steuerbare Verkaufsfunktion hinzuweisen. Die für den Erfolg des Handelsunternehmens relevante Interaktion zwischen dem einzelnen Verkäufer und dem Kunden ist schwierig zu kontrollieren, und die damit zusammenhängenden Motivations- und Koordinationsprobleme stellen höchste Anforderungen an die Führungskräfte.
Die genannten Einflüsse multiplizieren sich bei international tätigen Handelsunternehmen. Kulturelle, politisch-rechtliche, ökonomische, natürliche und sonstige Umweltbedingungen treten in facettenreicher Vielfalt auf. Selbst Bestrebungen, heterogene Wirtschaftsräume auszugleichen, wie beispielsweise innerhalb der Europäischen Union, werden an der Vielfalt der Einflüsse wenig ändern. So werden beispielsweise trotz aller Bemühungen, das Recht in den Mitgliedstaaten der EU zu harmonisieren und unterschiedliches Recht anzuerkennen, weiter – teilweise erhebliche – Unterschiede in den Rechtsordnungen bestehen bleiben.