Was ist die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich?

Die Einkünfte aus § 13, § 15 oder § 18 EStG können durch Betriebsvermögensvergleich (Bestandsvergleich) mit den Unterarten des § 4 Abs. 1 und § 5 EStG ermittelt werden. Die in § 5 EStG vorgesehene Art der Gewinnermittlung gilt für Gewerbetreibende, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind, Bücher zu führen und regelmäßig Abschlüsse zu machen, oder die ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und regelmäßig Abschlüsse machen.

BetriebsvermögensvergleichGesetzliche Vorschriften im Sinne des § 5 EStG sind die handelsrechtlichen Vorschriften (insbesondere §§ 238 ff. HGB) sowie § 141 AO. Ausnahmsweise gilt § 5 EStG für Land- und Forstwirte über § 3 HGB, § 140 AO. Die in § 4 Abs. 1 vorgesehene Gewinnermittlung gilt für Land- und Forstwirte, die nach § 141 AO zur Buchführung verpflichtet sind oder Bücher freiwillig führen. Außerdem gilt § 4 Abs. 1 EStG für Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG), wenn sie freiwillig Bücher führen und Abschlüsse erstellen.

§ 4 Abs. 1 EStG gilt weiter auch für Gewerbetreibende, wenn diese nicht zur Buchführung verpflichtet sind, auch freiwillig keine Bücher führen und wenn sie überdies auch keine Aufzeichnungen haben, die für eine Gewinnermittlung nach dem Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ausreichen, sodass der Gewinn geschätzt werden muss.

Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist bei der Buchführung und zu jährlichen Abschlüssen gesetzlich verpflichteten Land- und Forstwirten und Gewerbetreibenden sowie bei allen Beziehern von Gewinneinkünften, die freiwillig Bücher führen und regelmäßige Abschlüsse machen, vorzunehmen. Als Gewinn ist hierbei die im Wirtschaftsjahr eingetretene Betriebsvermögensmehrung anzusetzen. Dabei sind Veränderungen des Betriebsvermögens am Schluss des Wirtschaftsjahres infolge privater Einflüsse (Privatentnahmen und -einlagen) zu neutralisieren.

Gewinnformel nach § 4 Abs. 1 EStG:

  • Betriebsvermögen am Schluss des laufenden Wirtschaftsjahres
  • ./. Betriebsvermögen am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres
  • =  Betriebsvermögensänderung
  • +  Privatentnahmen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG)
  • ./. Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG)
  • =  Gewinn/Verlust

Beispiel:

  • Betriebsvermögen 31.12.2022: 50.000 Euro
  • ./. Betriebsvermögen 31.12.2021: 40.000 Euro
  • =  Betriebsvermögensänderung: 10.000 Euro
  • +  Privatentnahmen: 7.500 Euro
  • ./. Einlagen: 1.500 EUR
  • =  Gewinn (§ 4 Abs. 1 EStG): 16.000 Euro

Welche Unterschiede bestehen zwischen § 4 Abs. 1 und § 5 EStG beim Betriebsvermögensvergleich?

Die Gewinnermittlung nach § 5 EStG unterscheidet sich von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG nur noch bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit dadurch, dass nur bei § 5 EStG der Steuerpflichtige – abgesehen von den einkommensteuerlichen Vorschriften – an den handelsrechtlichen Rechnungslegungsvorschriften (bzw. handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)) gebunden ist. Dagegen wird für nach § 141 AO buchführungspflichtige Steuerpflichtige mit § 4 Abs. 1 – Gewinnermittlung – (= Landwirte und Gewerbetreibende, die Minderkaufleute (§ 4 HGB) sind) bestimmt, dass die einschlägigen Vorschriften des HGB (§§ 238, 240 bis242 Abs. 1 sowie §§ 243 bis 256) anzuwenden sind.

Die Vorschriften des § 242 Abs. 2 und 3 HGB sind von der Anwendung auf nach § 141 AO Buchführungspflichtige, die keine Vollkaufleute sind, ausgenommen, damit sie nicht zur doppelten Buchführung verpflichtet werden. Damit unterscheidet sich insoweit die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 von § 5 EStG nur noch bei steuerpflichtigen Einkünften aus § 18 EStG, die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG haben.

Wie werden Gewinneinkünfte bei Steuerpflichtwechsel für den Betriebsvermögensvergleich ermittelt?

Grundsätze: 

Verlegt ein bisher unbeschränkt Steuerpflichtiger im Laufe eines Kalenderjahres seinen Wohnsitz in das Ausland, so endet mit diesem Zeitpunkt die unbeschränkte Steuerpflicht, somit auch der Ermittlungszeitraum für seine Einkünfte bzw. sein Einkommen. Soweit der Steuerpflichtige weiterhin inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG hat, beginnt mit dem Wohnsitzwechsel eine neue Steuerpflicht, nämlich die beschränkte Steuerpflicht.

Somit entstehen durch den Wechsel der Steuerpflicht grundsätzlich zwei Ermittlungszeiträume: Der Veranlagungszeitraum ist in beiden Fällen das Kalenderjahr. Gleiches gilt, wenn ein bisher beschränkt Steuerpflichtiger durch Wohnsitzwechsel unbeschränkt steuerpflichtig wird. Er ist im gleichen Veranlagungszeitraum als unbeschränkt Steuerpflichtiger und auch als beschränkt Steuerpflichtiger zu veranlagen.

Beispiel:

Bernd aus Köln verlegt mit Ablauf des 30.06.02 seinen Wohnsitz nach Amsterdam. Er ist vom 01.01. bis 30.06.02 unbeschränkt steuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 EStG), vom 01.07. bis 31.12.02 beschränkt steuerpflöichtig (§ 1 Abs. 4 EStG), falls er inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG bezieht.

Veranlagung:

Wechselt ein Steuerpflichtiger von der beschränkten zur unbeschränkten Steuerpflicht oder umgekehrt, so sind für dieses Kalenderjahr zwei Veranlagungen durchzuführen. Das gilt auch bei einem mehrfachen Wechsel der Steuerpflicht in einem Kalenderjahr. In diesem Fall sind Zeiträume gleichartiger Steuerpflicht zusammenzufassen. Bei jeder Veranlagung bleibt

  • Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr,
  • Bemessungszeitraum ebenfalls das Kalenderjahr.

Beispiele:

(1) Der ledige A aus Kleve verlegt mit Beginn des 01. 09. 08 seinen Wohnsitz nach Arnheim (Niederlande). Er bezieht weiterhin in der Bundesrepublik Einkünfte im Sinne des § 49 EStG. Es sind zwei Einkommensteuerveranlagungen durchzuführen. Ermittlungszeitraum für die unbeschränkte Steuerpflicht: 01. 01. bis 31. 08. 08. Ermittlungszeitraum für die beschränkte Steuerpflicht: 01. 09. bis 31. 12. 08.

(2) wie zuvor, aber der Steuerpflichtige ist verheiratet. Auch seine Ehefrau hat inländische Einkünfte. Für den Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht ist sowohl für den Ehemann als auch für die Ehefrau jeweils eine Einzelveranlagung durchzuführen. Für den Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht ist eine Ehegattenveranlagung (Zusammenveranlagung oder getrennte Veranlagung) durchzuführen.

(3) A heiratet am 01.10.02 in Köln die I. aus Madrid. Sie nimmt von diesem Tag an ihren Wohnsitz in Köln. Sie hat Einkünfte im Sinne § 49 EStG in der Bundesrepublik Deutschland. Einzelveranlagung der Ehefrau während der beschränkten Steuerpflicht. Ermittlungszeitraum 01. 01. bis 30. 09. 02. Zusammenveranlagung der Ehefrau während der unbeschränkten Steuerpflicht. Ermittlungszeitraum Ehemann vom 01. 01. bis 31. 12. Ermittlungszeitraum Ehefrau vom 01. 10. bis 31. 12.

(4) Die Eheleute A mit Wohnsitz in de Niederlanden lebten seit 01. 03. 03 dauernd getrennt. Sie ließen sich am 20. 06. 03 in den Niederlanden scheiden. Ehemann A begründet am 01. 07. 03 einen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Beide Ehegatten haben Einkünfte im Sinne des § 49 EStG in der Bundesrepublik Deutschland. Der Ehemann beantragt Zusammenveranlagung, da die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung zu Beginn des Kalenderjahres gegeben gewesen seien.  Einzelveranlagung als beschränkt Steuerpflichtiger: Ehemann Ermittlungszeitraum 01. 01. bis 30. 06. Ehefrau Ermittlungszeitraum 01. 01. bis 31. 12. Einzelveranlagung Ehemann unbeschränkte Steuerpflicht. Ermittlungszeitraum 01. 07. bis 31. 12. Eine Zusammenveranlagung kann nicht durchgeführt werden, weil die Voraussetzungen der Ehegattenveranlagung im Ermittlungszeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben.

Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für Gewinneinkünfte bei Betriebsvermögensvergleich

Da mit dem Wechsel der Steuerpflicht der Ermittlungszeitraum endet und ein anderer Ermittlungszeitraum beginnt, sind die Besteuerungsgrundlagen auf beide Ermittlungszeiträume für den Betriebsvermögensvergleich zu verteilen.

Werden die Einkünfte aus § 13, § 15 oder § 18 EStG durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 bzw. § 5 EStG) ermittelt, entstehen durch den Wechsel der Steuerpflicht quasi zwei Rumpfwirtschaftsjahre. Es ist jedoch nicht notwendig, dass der Steuerpflichtige im Zeitpunkt des Wechsels der Steuerpflicht eine Bilanz erstellt. Wenn der Betriebe bestehen bleibt, ergibt sich auch nach handelsrechtlichen Vorschriften keine Verpflichtung, eine Bilanz auf diesem Zeitpunkt zu erstellen.

Erfolgt der Wechsel der Steuerpflicht im Laufe des Wirtschaftsjahres, ist das Ergebnis dieses Wirtschaftsjahres grundsätzlich auf die beiden Ermittlungszeiträume aufzuteilen. Grundlage für die Aufteilung können die in den einzelnen Zeiträumen getätigten Umsätze sein, aber auch andere objektive Maßstäbe. Lässt sich ein Maßstab für die Aufteilung nicht finden, kann im Schätzungswege (§ 162 AO) eine zeitanteilige Aufteilung erfolgen.

Beispiel:

A ist Gewerbetreibender in Goch (Bundesrepublik). Er verlegt am 01.09.02 seinen Wohnsitz nach Venlo (Niederlande). Sein Gewerbebetrieb verbleibt weiterhin in Goch. Der Gewinn des Wirtschaftsjahres = Kalenderjahr 02beträgt insgesamt 120.000 EUR.

Der Gewinn ist mangels eines anderen Maßstabes wie folgt aufzuteilen: unbeschränkte Steuerpflicht 8 Monate = 80.000 EUR (8/12), beschränkte Steuerpflicht 4 Monate = 40.000 EUR (4/12).

Veräußerungsgewinne sind von der Aufteilung auszunehmen und in dem Ermittlungszeitraum anzusetzen, in dem sie erzielt (= realisiert) worden sind. Eine Aufteilung des Ergebnisses erfolgt grundsätzlich auch bei abweichendem Wirtschaftsjahr. Es ist daher nicht § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG für die Frage der Zuordnung zur unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht anzuwenden.

Beispiel:

(1) A aus Emmerich verlegt am 01.07.02 seinen Wohnsitz nach Arnheim (NL). Seinen Betrieb behält er weiterhin in Emmerich. Im Wirtschaftsjahr 01/02 hatte er einen Gewinn von 90.000 EUR, im Wirtschaftsjahr 02/03 hatte er einen Gewinn von 120.000 EUR. Das Wirtschaftsjahr läuft vom 01.10. bis 30.09. Für 02 ergibt sich folgende Zuordnung: vom Wirtschaftsjahr 01/02 fallen 9 Monate auf den Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht und 3 Monate auf den Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht. Im Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht sind daher ein anteiliger Gewinn von 67.500 EUR, im Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht sind 45.000 EUR für 02 zu erfassen. Der Gewinn von 120.000 EUR wird erst in 03 erfasst (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG).

(2) Wie (1), Wirtschaftsjahr ist jedoch der Zeitraum 01.04. bis 31.03. In diesem Fall ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres 01/02 in Höhe von 90.000 EUR voll im Kalenderjahr 02 zu erfassen. Vom Wirtschaftsjahr 02/03 entfallen 3 Monate auf den Zeitraum der unbeschränkten Steuerpflicht und 9 Monate auf den Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht. Da das Wirtschaftsjahr erst in 03 endet, ist der Anteil, der auf die beschränkte Steuerpflicht entfällt, in Höhe von 90.000 EUR erst im Kalenderjahr 03 zu erfassen. Während der unbeschränkten Steuerpflicht 02 sind daher folgende Gewinne zu erfassen: 90.000 EUR aus dem Wirtschaftsjahr 01/02, 30.000 EUR aus dem Wirtschaftsjahr 02/03.

Das Wichtigste zum Betriebsvermögensvergleich in Kürze

Beim Betriebsvermögensvergleich gilt als Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres, vermehrt um den Wert der Einnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen. Das Schema zur Berechnung ist folgendermaßen aufgebaut:

  • Vermögen am Ende des Wirtschaftsjahrs
  • ./. Vermögen am Anfang des Wirtschaftsjahrs
  • + Entnahmen im Laufe des Wirtschaftsjahrs
  • ./. Einlagen im Laufe des Wirtschaftsjahrs
  • = Gewinn des Wirtschaftsjahrs

Dabei sind gemäß § 4 Abs. 1 EStG als Einnahmen zu berücksichtigen alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahrs entnommen hat.

Als Einlagen gelten alle Wirtschaftsgüter (Bareinzahlungen und sonstige Wirtschaftsgüter), die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahrs zugeführt hat. § 4 Abs. 1 EStG bestimmt, dass bei der Ermittlung des Gewinns die Vorschriften über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung zu befolgen sind.