Da es im Rahmen des Bullwhip-Effekts viele unterschiedliche Begriffe für ein und dasselbe Phänomen gibt, erläutern wir zu Beginn kurz die Herkunft der unterschiedlichen Bezeichnungen. Der Begriff des Bullwhip-Effekts taucht in der Literatur zum ersten Mal 1972 bei Forrester auf. Als Hauptergebnis seiner Analysen fand er heraus, dass sich geringe Nachfrageschwankungen in einem Einzelunternehmen kaum bemerkbar machten, in einem größeren, dynamischen System dagegen umso mehr. Dieser Effekt wird daher auch Forrester-Effekt genannt. Synonym wird in der Literatur allerdings auch oft der Begriff Peitscheneffekt verwendet — dies geht auf den Stanford-Professor Hau L. Lee zurück.
Heute wird unter dem Bullwhip-Effekt die Auswirkung von Nachfrageschwankungen über die gesamte Lieferkette hinweg verstanden. Der Beginn des Effekts liegtbeim Einzelhändler, da dieser als erster von einer Nachfrageschwankung am Markt erfährt. Bei einer Erhöhung der normalen Nachfrage beispielsweise sendet der Einzelhändler etwas zeitverzögert seinen gestiegenen Bedarf an den Großhändler. Dieser wiederum erhöht seinen Auftrag an das produzierende Unternehmen. Erfahrungsgemäß bestellt der Großhändler allerdings nicht nur den Mehrbedarf, sondern gleichzeitig noch eine zusätzliche Sicherheitsmenge, um seinen Lagerbestand dauerhaft zu erhöhen und gegen einen eventuell bald noch höheren Bedarf abgesichert zu sein. Er geht also nicht nur von einer einmaligen Erhöhung de Nachfrage aus, sondern von einer längerfristigen Nachfragesteigerung, auf die er sich zur Sicherung seiner Lieferbereitschaft dauerhaft einstellt.
Dieser Effekt der Mehrbestellungen zieht sich anschließend durch die gesamte Wertschöpfungskette, sodass auf der letzten Lieferantenstufe sehr hohe Bestellungen vorliegen, die das Maß der Nachfrageschwankung weit übertreffen. Die Schwingungen durch die Mehrbestellungen nehmen mit jeder Stufe der Supply Chain (Lieferkette) zu und stellen somit für das Supply Chain Controlling ein Problem dar.
In der Praxis wird der Bullwhip-Effekt häufig in Simulationen untersucht. Vorreiter auf diesem Gebiet ist Professor John Sterman mit seinem „Beer Distribution Game“. Für das Risikomanagement in Lieferketten hat der Bullwhip-Effekt eine hohe Bedeutung, da er, wie bereits beschrieben, schwerwiegende Folgen für die Akteure der Supply Chain haben kann. Daher wird dem Effekt üblicherweise vom Supply Chain Risikomanagement unter allen Supply Chain Risiken eine sehr große Aufmerksamkeit gewidmet.
Wie entsteht der Bullwhip-Effekt?
Für die Entstehung des Bullwhip-Effekts lassen sich verschiedene Ursachen finden, die wir im nächsten Abschnitt kurz erläutern möchten.
1. Verzögerte oder mangelnde Informationsweitergabe
Der Austausch sowohl von Informationen als auch von Material erfolgt bei der Supply Chain in der Regel nicht unmittelbar, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung, die im Laufe der gesamten Lieferkette immer weiter zunimmt.
Der Bullwhip-Effekt verhält sich dabei proportional zu diesem Zeitverzug: Je länger die Zeitspannen zwischen der Daten- bzw. Materialweitergabe ist, desto größer wird auch der Bullwhip-Effekt.
Absatzmuster früherer Perioden werden an veränderte Rahmenbedingungen angepasst.
Oftmals ist aber auch ein Mangel an Informationen die Ursache. Die einzelnen Unternehmen der Supply Chain verfügen lediglich über lokale Informationen und Daten, da jedes Unternehmen nur seine eigenen Absatzdaten an das nachfolgende Unternehmen weitergibt.
Das bedeutet, dass die nachfolgenden Stufen nicht ermessen können, ob es sich bei einer Schwankung um eine dauerhafte Absatzänderung handelt oder nur um eine einmalige Ausnahme. Die Zulieferer haben keine Informationen über die anderen Bestände in der Lieferkette und die Abnehmer wissen nichts über die Ressourcen ihrer Zulieferer.
Bestellungen nachgelagerter Kettenglieder dienen als Basis für die Prognose vorgelagerter Kettenglieder.
Eine Bedarfsspitze setzt sich somit durch die gesamte Kette durch und wird durch die Anpassung von Mindestbeständen noch verstärkt.
Lösung
Direkte Informationsweitergabe,
Kommunikationstechniken (z. B. EDI, ECR).
2. Falsches Bestellverhalten
Als weiterer Anstoß kann das falsche Bestellverhalten der Supply Chain Teilnehmer angesehen werden. Teilweise veranlassen diese schon neue Bestellungen, bevor bereits bestellte Mengen in ihren Lagern eingetroffen bzw. bevor diese Mengen an den nächsten Abnehmer weitergegeben worden sind.
Ein weit verbreitetes Problem besteht außerdem darin, dass viele Unternehmen ankommende Aufträge zu für sie optimale Bestellmengen zusammenfassen und mit der Produktion bzw. der weiteren Bestellung warten, um Kosten zu sparen. So entstehen zusätzliche Schwankungen, die den Bullwhip-Effekt noch verstärken.
Selbst bei konstantem Bedarf tendieren Unternehmen dazu, in diskreten Zeitintervallen zu bestellen (bestellfixe Kosten, Transportkostendegression).
Erfolgsabhängige Vergütungsinstrumente sind meist auf bestimmte Termine (z. B. Quartalsende) bezogen.
Lösung
Gleichmäßigere Bestellverteilung,
Sendungskonsolidierung,
Kommunikation.
3. Preisschwankungen im Einzelhandel
Ein weiteres Indiz für den Effekt ist in Preisschwankungen zu finden, die aufgrund von Mengenrabatten, Gutscheinen usw. seitens der Händler entstehen. Die Abnehmer bestellen deshalb Mengen, die den aktuellen Bedarf übersteigen und den „Peitschenschlag“ verstärken. Die Nachfrage der Supply Chain Teilnehmer orientiert sich in diesem Fall nicht mehr an der Endkundennachfrage, sondern an der Nachfrage des nächsten Abnehmers.
Bei Preisaktionen kaufen Verbraucher oft in einem kurzen Zeitintervall große Mengen ein.
Nach Wegfall der Preisaktion üben sie Zurückhaltung, warten eventuell auf die nächste Preisaktion.
Für Zulieferer bedeutet dies eine kurzfristig erhebliche Steigerung der Nachfrage.
Da Unternehmen sich häufig nicht genau auf die Lieferbereitschaft ihrer Lieferanten in Engpasssituationen verlassen können, bestellen sie größere als die nachgefragten Mengen, um einen ständigen Sicherheitsbestand im Lager zu haben und um ihrerseits flexibel auf weitere Schwankungen reagieren zu können.
Lösung
Information über Preisaktionen.
4. Produktzuteilungen
Bei größerer als erwarteter Endnachfrage nach einem Produkt sind sich die Hersteller mitunter zu Rationierungen gezwungen.
Kunden reagieren hierauf nach Bekanntwerden mit Umgehungsmechanismen (z. B. übertriebene Bestellmengen, Phantombestellungen).
Dies spiegelt dem Produzenten eine größere als tatsächlich vorhandene Nachfrage vor.
Bei nachlassende Endnachfrage kommt es zu Stornierungen.
Lösung
Einsatz intelligenter Zustellungsmechanismen (z. B. auf Basis früherer Bestellungen),
Informationsaustausch.
Infolge der besseren Abstimmung von Angebot und Bedarf auf Basis der transparenteren Endkundennachfrage können Mindestbestände und gebundenes Kapital verringert sowie die Transaktionskosten reduziert werden. Transportkosten können durch Wege- und Auslastungsoptimierungen der Transportfahrzeuge reduziert werden.
Push- und Pull-Prinzip
Die Höhe des Bullwhip-Effekts hängt stark mit dem Prinzip der Bestell- und Auftragsstrategie in einer Supply Chain zusammen. Dabei lassen sich grundsätzlich zwei verschiedene Ansätze unterscheiden: Das Push-Prinzip und das Pull-Prinzip.
Beim Push-Prinzipwertet das produzierende Unternehmen die Verkaufszahlen und Lagerbestände seiner Handelspartner aus und plant aufgrund dieser Zahlen seine Produktion und Disposition. Der nachfolgende Abnehmer hält die Ware anschließend häufig in Kommission.
Dagegen lösen beim Pull-PrinzipVerkaufszahlen automatisch eine Bestellung aus. Dadurch können bisher doppelt ausgeführte Tätigkeiten, wie z. B. die Bestellauslösung, Auftragsbestätigung, Lieferterminzusage, Bestellüberwachung und Zahlungabwicklung zusammengefasst werden. Dies führt zu einer wesentlich effizienteren Produktion.
Im Sinne einer Abschwächung des Bullwhip-Effekts ist die Pull-Strategie von Vorteil, da hierbei unnötig hohe Lagerbestände vermieden werden und auf Kundenwünsche schnell und präzise reagiert werden kann. Deshalb wird im Supply Chain Management eine Abkehr von der Push-Strategie und die konsequente Hinwendung zur Pull-Strategie verfolgt.
Supply Chain Management als Lösungsansatz
Wie in den letzten Jahren häufig zu beobachten war, sind Unternehmensnetzwerke durch eintretende Risiken sehr störanfällig. Dies betrifft besonders das Supply Chain Management, welches Pufferlager und Durchlaufzeiten im Sinne der Lean Production minimiert hat. Denn durch diese Maßnahmen können sie einerseits nur noch schwer auf Störungen, wie Engpässe oder Ausfälle reagieren. Andererseits werden die Partner wesentlich abhängiger voneinander, was ebenfalls Risiken in sich birgt. Auch der oben beschriebene Bullwhip-Effekt lässt sich als Motivation für ein Supply Chain Risikomanagement nennen, da sich Risiken durch den Bullwhip-Effekt in einer Wertschöpfungskette aufschaukeln.
Nicht nur durch Lean Production, minimale Lagerbestände und minimierte Durchlaufzeiten, sondern auch durch immer kürzer werdende Produktlebenszyklen,schnellere Veralterung von Produkten, neue Technologien und moderne Geschäftsmodelle können auftretende geringe Probleme leicht zu großen Risiken für das gesamte Netzwerk werden. Außerdem lässt sich die Steigerung von Outsourcing und gleichzeitiger Reduzierung der Anzahl an Zulieferern als Gründe für die erhöhte Verwundbarkeit von Supply Chains nennen. Daraus resultiert die Notwendigkeit, mit dem Aufbau enger Verbindungen, insbesondere in Lean Supply Chains, gleichzeitig ein Risikomanagement zu erstellen.
Im Zuge dieser Erkenntnisse haben neueste Untersuchungen den Trend beobachtet, dass sich Unternehmen wieder verstärkt weg von minimalen Lägern hin zu größeren Sicherheitsbeständen und weniger Just-in-Time-Anlieferungen bewegen, um Engpässen durch Risiken entgegenzuwirken.
Beispiele
Beispiel 1:
Aufgrund eines neuen Trends steigt die Endkundennachfrage nach Jo-Jos in Deutschland von 1 Mio. pro Monat auf 1,2 Mio. pro Monat. Der Einzelhändler merkt dies an den Verkaufszahlen. Um sicher zu sein, dass er die Nachfrage bedienen kann bestellt er beim Großhändler 1,7 Mio. Jo-Jos pro Monat. Auch der Großhändler sieht nun, dass der Einzelhändler deutlich mehr bestellt als die Monate davor. Damit auch er wieder sicher sein kann die Nachfrage zu bedienen, fragt er beim Hersteller 2,5 Mio. Jo-Jos monatlich nach.
So kann eine kleine Änderung der Nachfrage (abhängig von der Anzahl der Teilnehmer in der Supply Chain) zu enormen Vergrößerungen der Bestellmengen führen. Wie groß die Sicherheitsmargen, welche die Händler einplanen, sind hängt von vielen Faktoren ab.
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