Die Lieferfähigkeit (Lieferbereitschaft) ist eine wichtige Kennzahl eines Logistikkennzahlensystems. Die Lieferfähigkeit bezeichnet in allgemeiner Form das Verhältnis der Anzahl termingerecht ausgelieferter Bedarfsanforderungen zu der Gesamtzahl der Bedarfsanforderungen in einem bestimmten Zeitraum.
Sie ist ein zentrales Kriterium für die effiziente Logistikplanung und Logistikkontrolle. Wird die Lieferfähigkeit als Prozentzahl angegeben, spricht man auch vom Lieferfähigkeitsgrad oder Lieferbereitschaftsgrad:
Die technische Zielausprägung der Logistik, das heißt, die richtige Ware in der richtigen Menge und Qualität am richtigen Ort zur richtigen Zeit bereitzustellen, würde einen Lieferbereitschaftsgrad von 100 % erfordern.
Das Streben nach einem hohen Lieferfähigkeitsgrad zur bestmöglichen Erfüllung der Kundenwünsche steht jedoch dem gleichzeitigen Streben nach möglichst geringen Logistikkosten entgegen. Zum Ausgleich dieses Zielkonfliktes versucht man eine optimalen Lieferfähigkeitsgrad, der in der Regel unter 100 % liegt, zu realisieren.
Wie wird der optimale Lieferfähigkeitsgrad bestimmt?
Wird die Kennzahl Lieferfähigkeitsgrad als Plangröße ermittelt, ist zu differenzieren, ob diese für die Logistikentscheidungsträger (noch) beeinflussbar oder nicht beeinflussbar ist. Ein vorgegebener Lieferbereitschaftsgrad muss zu geringsten Kosten verwirklicht werden, andernfalls steht die Ermittlung des optimalen Lieferbereitschaftsgrades im Fokus.
Zur Bestimmung des optimalen Lieferbereitschaftsgrades werden die Fehlmengenkosten den Lagerhaltungskosten eines zusätzlichen, der erwarteten oder geplanten Stückzahl übersteigenden Mindestbestandes gegenübergestellt. Und zwar unter der Prämisse, dass bei steigender Lieferbereitschaft die Fehlmengenkosten tendenziell abnehmen und die Kosten für den zusätzlichen (Sicherheits-)Bestand ansteigen.
Lieferfähigkeit als Plangröße
Voraussetzung für die Bestimmung des optimalen Lieferfähigkeitsgrades ist, dass die kleinste Summe aus möglichen Fehlmengenkosten und Lagerkosten des Sicherheitsbestandes ermittelt wird. Die Bereitstellung der dafür erforderlichen Informationen, insbesondere die Ermittlung künftiger Bedarfsmengen und der Fehlmengenkosten, ist Aufgabe des Logistikcontrolling.
Da aber der Bedarf an Gütern pro Planperiode zufallsbedingten Schwankungen unterliegt, sollte bei der Berechnung von Wahrscheinlichkeitsverteilungen berücksichtigt werden, dass bei normalverteilten Bedarfsmengen lediglich 50 % sichergestellt werden können.
Lässt sich der bzw. lassen sich mehrere alternative Lieferbereitschaftsgrade mit den dazugehörigen Lagerkosten des jeweiligen Sicherheitsbestandes und Fehlmengenkosten aus den Daten des betrieblichen Rechnungswesen nicht hinreichend ermitteln, ist zu empfehlen, mehrere Lieferbereitschaftsgrade, die für das Unternehmen als realistisch angesehen werden können, festzulegen und simultan durchzurechnen.
So kann man aus den alternativ unterstellten Lieferbereitschaftsgraden von beispielsweise 98 %, 96 % oder 90 % denjenigen ermitteln, der mit den geringsten Kosten verbunden ist. Berechnungsgrundlagen bilden dabei die als Kennzahlen definierten Lagerkosten des Sicherheitsbestandes und die Fehlmengenkosten je Logistikeinheit.
Für die Berechnung der Fehlmengenkosten sind in der Regel die Fertigungsunterbrechungskosten, entgangene Gewinne bzw. Deckungsbeiträge und mögliche Goodwillverluste, sofern sich diese für zukünftige Aufträge messen lassen, heranzuziehen.
Lieferfähigkeit als Kontrollgröße
Bestimmt man den Lieferbereitschaftsgrad als Kontrollgröße, stehen die Auswirkungen gegenläufiger logistischer Zielforderungen (vor allem hoher Lieferbereitschaftsgrad versus niedriger Bestand an Fertig-/Halbfertigprodukten oder Materialien) im Mittelpunkt der Kennzahlgenanalyse.
Mithilfe entsprechend differenzierter Logistikkennzahlen, insbesondere Logistikkostenkennzahlen, Umschlaghäufigkeiten usw., kann das Controlling dann gezielt Wirtschaftlichkeitskontrollen durchführen und Anpassungsmöglichkeiten an veränderte Beschäftigungslagen oder Vorschlage zur verbesserten Abstimmung von Logistik-, Produktions- und Absatzerfordernissen unterbreiten.
Lieferbereitschaftsgrad als Spitzenkennzahl eines Logistikkennzahlensystems
Da die Produktion eine hohe Kapazitätsauslastung, eine geringe Fertigungsdurchlaufzeit, eine geringe Fehlteilrate und eine hohe Termintreue fordert und auch der Absatzbereich einen hohen Lieferbereitschaftsgrad mit tendenziell hohen Fertigfabrikatlagerbeständen anstrebt, muss das Logistikcontrolling die gegenläufigen Subziele von Logistik, Produktion und Absatz aufeinander abstimmen.
Es empfiehlt sich deshalb, entsprechend der Untergliederung der Logistik in Materialwirtschaft, Produktionslogistik und Distributionslogistik den Lieferbereitschaftsgrad für diese Bereiche differenziert als Logistikkennzahl(en) für die Materialwirtschaft, als Produktionslogistikkennzahl(en) und als Distributionslogistikkennzahl(en) auszuweisen sowie diese dann zu den entsprechenden Spitzenkennzahlen des gesamtunternehmensbezogenen Logistikkennzahlensystems zu aggregieren.
Das Wichtigste zur Lieferfähigkeit in Kürze
Die Lieferfähigkeit stellt die zentrale Kenngröße in einem Logistikkennzahlensystem dar, die in allgemeiner Form die Relation der termingemäß ausgelieferten Bedarfsanforderungen zur Gesamtzahl der Bedarfsanforderungen in einem bestimmten Zeitraum darstellt.
Entsprechend einer möglichen Unterteilung des Logistikbereiches in Materialwirtschaft, Fertigungs- und Absatz-Logistik kann der Lieferfähigkeitsgrad für diese Bereiche differenziert ausgewiesen werden. Die Kennzahl Lieferfähigkeitsgrad kann einerseits als Plangröße ermittelt und andererseits als Kontrollgröße für künftige logistische Prozesse festgelegt werden.
Aufgaben
Welche Zielkonflikte bestehen in der Logistik und Produktionsplanung?
Welche Zielkonflikte der Logistik bestehen im Handel?
Fehlteilrate, Durchlaufzeit, Kapazitätsauslastung, Bestände und Logistikkosten, Lieferbereitschaftsgrad
Lieferbereitschaftsgrad im Zentrallager, Lagerbestandskosten im Zentrallager, Kapazitätsauslastung im Zentrallager, Transportkosten vom Zentrallager zum Filiallager, Lagerbestandskosten im Filiallager, Lieferbereitschaftsgrad im Filiallager
Literaturhinweise
Reichmann, Thomas (1995): Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, Grundlagen einer systemgestützten Controlling-Konzeption, 4. Aufl., München 1995
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