Die Prozesskostenrechnung ist ein Instrument des Controllings zur Gemeinkostenplanung und –kontrolle. Herkömmliche Kostenrechnungssysteme sind eher auf die günstigste Durchführung der Fertigung ausgerichtet. Für den Markterfolg eines Unternehmens ist aber zunehmend die Gestaltung der innerbetrieblichen, abteilungsübergreifenden Abläufe ausschlaggebend.
Die Konzeption der Prozesskostenrechnung fußt auf der Erkenntnis, dass die in den indirekten Bereichen eines Unternehmens (z. B. Beschaffung, Rechnungswesen, Verwaltung usw.) anfallenden planenden, steuernden und kontrollierenden Aufgaben gegenüber den direkten Fertigungstätigkeiten stetig zunehmen und in den Vordergrund treten.
Zielsetzung der Prozesskostenrechnung
Die Beschaffung kapitalintensiver Technologien und qualifizierter Mitarbeiter erhöht den Anteil der fixen Kosten an den Gesamtkosten. Damit werden die planenden, steuernden und kontrollierenden Tätigkeiten in den indirekten Bereichen eines Unternehmens Hauptverursacher der Gemeinkosten (sog. „Cost Drivers“, Gemeinkostentreiber); sie sollten daher als Schwerpunkt der Kostenzurechnung und –kontrolle betrachtet werden.
Ziel der Prozesskostenrechnung ist dementsprechend eine leistungsorientierte Zurechnung von Gemeinkosten durch die Erfassung und Bewertung von Hauptprozessen. Zu diesem Zweck wird im Rahmen der Prozesskostenrechnung die klassische kostenrechnerische Einteilung des Unternehmens in Kostenstellen um die einzelnen Aktivitäten in den Unternehmensbereichen verfeinert.
Analyseobjekte der Prozesskostenrechnung
Analyseobjekte der Prozesskostenrechnung sind insbesondere die in rascher Frequenz regelmäßig durchgeführten Arbeitsabläufe, die nach einem bestimmten Standard (Ressourceneinsatz, Chronologie, erzieltes Leistungsergebnis) ablaufen, die sog. repetitiven Aktivitäten.
Prozesse stellen Bündel von repetitiven Tätigkeiten (Aktivitäten) dar, die in den verschiedenen Kostenstellen und Abteilungen eines Unternehmens bei der Ausführung der übertragenen Aufgaben anfallen. Zweckmäßigerweise wird sich in der Praxis auf die häufig ablaufenden und zugleich kostenintensiven Prozesse beschränkt werden.
Möglichkeiten der Prozessanalyse
Zu Beginn der Prozesskostenrechnung erfolgt die Prozessanalyse, das heißt die Strukturierung der durchgeführten Tätigkeiten innerhalb der Kostenstellen des analysierten Bereichs. Hier bestehen zweiAnalysemöglichkeiten:
Zum einen der aktivitätsorientierte Bottom-up-Ansatz: Die einzelnen Aktivitäten und die sich daraus ergebenden Prozesse werden anhand von Interviews mit den Kostenstellenleitern oder durch Zeitmessung vor Ort erhoben. Jede Kostenstelle muss den für einen Prozessablauf erforderlichen Einsatz an Personal- und Sachmitteln angeben, der die Höhe der Prozesskosten bestimmt.
Zum anderen der personalorientierte Top-down-Ansatz: Hier wird ausgehend von der Anzahl der insgesamt beschäftigten Mitarbeiter in Vollzeitäquivalenten die verfügbare Zeit in Minuten oder Stunden berechnet. Hieraus wird zurückgeschlossen auf die Anzahl der in dieser Zeit durchgeführten Aktivitäten, wobei der Zeitbedarf pro Aktivität zuvor standardmäßig ermittelt werden muss.
Aufgrund der leichteren rechentechnischen Ermittlung wird in der Praxis meist der Top-down-Ansatz vorgezogen.
Die Prozesse werden in leistungsinduziert und leistungsmengenneutral unterschieden, je nachdem, ob sich die Prozessmengen variabel (in der Regel proportional) oder fix verhalten. Die Kosten der leistungsmengenneutralen Prozesse stellen Rüst-, Bereitschafts-, Verwaltungs- oder Strukturkosten dar.
Für jeden leistungsmengeninduzierten Prozess ist eine Maßgröße festzulegen, z. B. Anzahl der Bestellungen, der Lieferaufträge, der Kontrollvorgänge usw. Grundsätzlich werden mengen- und wertabhängige Prozessgrößen unterschieden. Die Maßgrößen werden auch als Kostentreiber („cost driver“) bezeichnet. Da es sich bei den Prozesskosten um Personalgemeinkosten handelt, wird als Kostentreiber oftmals die zeitliche Beanspruchung (Minutenfaktoren, Arbeitsstunden, Tagewerke) herangezogen.
Prozessanalyse am Beispiel des Einkaufs
Der Einkaufsprozess mit den Kostenstellen Einkauf, Buchhaltung und Verwaltung im herkömmlichen Kostenstellensystem setzt sich aus fünf Teilprozessen zusammen. Der eigentliche Einkaufsprozess führt
vom Einholen der Angebote
über die Lieferantenauswahl und
das Aufgeben von Bestellungen
zur Prüfung der eingegangenen Rechnungen;
außerdem wird die Abteilungsleitung als weiterer Prozess definiert; dieser ist wiederum ein indirekter Prozess, da die Kosten für ihn unabhängig vom Volumen der Teilprozesse anfallen.
Konzept der Prozesskostenrechnung
Das Konzept der Prozesskostenrechnung setzt sich aus den folgenden drei Schritten zusammen:
Prozesskostenstellenrechnung
Analyse der Tätigkeiten: Welche Tätigkeiten verursachen welche Gemeinkosten?
Bestimmung von Prozess-Maßgrößen: Welche Faktoren sind hauptsächlich für die Entstehung der Kosten in den Gemeinkostenbereichen verantwortlich?
Beispiel
Die Kosten für den Teilprozess Rechnungsprüfung sind von der Maßgröße „Anzahl der Rechnungen“ abhängig.
Festlegung der Planprozessmenge: Wie oft wird sich ein Vorgang innerhalb eines bestimmten Zeitraums voraussichtlich wiederholen?
Ermittlung von Prozesskostensätzen: Prozesskostensatz = Prozesskosten / Prozessmenge
Beispiel
Für den Teilprozess Rechnungsprüfung ist für das nächste Jahr eine Planprozessmenge von 12.000 Rechnungen prognostiziert. Wenn sich die geplanten Prozesskosten für das Jahr auf 240.000 € belaufen, errechnet sich damit ein geplanter Prozesskostensatz von 20 € pro Rechnung.
Gemeinkostenplanung und -kontrolle
Im Rahmen der Gemeinkostenkontrolle werden den Soll-WertenIst-Werte gegenübergestellt. Die Soll-Kosten des Gesamtprozesses ermitteln sich wie folgt:
Soll-Kosten des Gesamtprozesses = Ist-Menge * Gesamtprozesskostensatz
Im Endeffekt müssen die Gesamtkosten aus der flexiblen Plankostenrechnung mit der Summe aus der Prozesskostenrechnung übereinstimmen.
Prozesskostenkalkulation
Die Prozesskostenkalkulation verwendet als Datengerüst die Prozesskostensätze der Prozesskostenstellenrechnung. Mit deren Hilfe rechnet sie die Kosten der indirekten Leistungen direkt dem Produkt zu.
Funktion der Prozesskostenrechnung
Die Prozesskostenrechnung liefert wertvolle Hinweise für die langfristige Zuteilung von Ressourcen in den Gemeinkostenbereichen eines Unternehmens. Wegen der gestiegenen Bedeutung dieser unterstützenden Tätigkeiten ist das Controlling inzwischen wesentlich stärker mit der Kontrolle von deren Kosten befasst. Die Prozesskostenrechnung liefert der Unternehmensleitung Hinweise auf die Ausnutzung bzw. Nichtausnutzung vorhandener Kapazitäten in den indirekten Leistungserstellungsbereichen der Wertschöpfungskette.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse der Prozesskostenrechnung lassen sich als Ausgangspunkt für ein umfassendes Prozessmanagement nutzen. Wertvolle Ansatzpunkte ergeben sich durch:
die Identifizierung von komplexen und damit kostenintensiven Tätigkeiten,
die Eliminierung von Doppelarbeiten sowie
die Ermittlung von Unwirtschaftlichkeiten interner Leistungserstellungen gegenüber einem Fremdbezug vom Markt.
Eine mögliche Konsequenz aus der Prozessanalyse ist das Outsourcing (die Ausgliederung) betrieblicher Funktionen beziehungsweise der Erwerb bisher intern erbrachter Leistungen von einem externen Dienstleister und insoweit die Optimierung des internen Wertschöpfungsgrads.
Die Prozesskostenrechnung ermöglicht im Ergebnis eine prozessorientierte Zuordnung der Kosten auf (zum Teil fiktive) Kostenträger. Durch die Analyse kostenstellenübergreifender Prozessketten wird das bereichsegoistische kostenstellenbegrenzte Kostenrechnen überwunden.
Die Ergebnisse der Prozesskostenrechnung können in eine Geschäftsprozessorganisation münden, deren erklärtes Ziel es ist, die Abläufe aus Kundensicht in den Fokus der Analyse zu stellen. Ausgangs- und Endpunkt der Prozesse ist nicht mehr der Leistungsersteller, sondern der Kunde. Die Prozessverantwortung wird auf ein prozessbegleitendes Team ausgelagert (sog. „Empowerment“). Den Prozessverantwortlichen (sog. „process owner“) obliegt die Gesamtverantwortung für Ablauf, Effizienz und Kosten eines Hauptprozesses.
Somit muss die Aufbauorganisation von einer kostenstellenbezogenen Form hin zu einer integrierten, kostenstellenübergreifenden Organisationsform angepasst werden. Die traditionelle auf Arbeitsteilung und Spezialisierung ausgerichtete Funktionalorganisation wird aufgebrochen. Der Übergang zur Prozessorganisation führt somit insbesondere zu einer Reduktion der Arbeitsteilung.
Das Wichtigste zur Prozesskostenrechnung in Kürze
Die Prozesskostenrechnung ist ein Instrument der Gemeinkostenplanung und -kontrolle.
Sie fußt auf der Erkenntnis, dass die in den indirekten Bereichen eines Unternehmens anfallenden planenden, steuernden und kontrollierenden Aufgaben gegenüber den direkten Fertigungstätigkeiten stetig zunehmen und für den Markterfolg des Unternehmens an Bedeutung gewinnen.
In der Prozesskostenrechnung werden Prozesskostensätze für die einzelnen Teilprozesse ermittelt, die der Gemeinkostenplanung und Kontrolle zugrunde gelegt werden.
Aufgaben zur Prozesskostenrechnung
Aufgabe 1:
Wie kann der Einsatz der Prozesskostenrechnung in der Verwaltung und im Einkauf gerechtfertigt werden?
Verwaltung und Einkauf gehören zu den indirekten Leistungsbereichen, in denen in der Regel sehr hohe Gemeinkosten anfallen. Diese Gemeinkosten in diesen Prozessen sind Hauptverursacher der gesamten Gemeinkosten eines Unternehmens (Cost Drivers). Sie werden in der Prozesskostenrechnung als Schwerpunkt der Kostenzurechnung betrachtet und leistungsorientiert zugeordnet. Deshalb ist der Einsatz der Prozesskostenrechnung besonders in den genannten Bereichen Einkauf und Verwaltung sinnvoll.
Aufgabe 2:
Welche Vorteile entstehen im Gegensatz zur traditionellen Kostenrechnung?
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