Entscheidung in Zweifelsfällen nach dem Gesamtbild
Es ist bisweilen zweifelhaft, ob jemand, der für einen anderen tätig wird, in dessen Betrieb eingeordnet ist oder unter seiner Leitung steht, d. h. dessen Weisungen unterworfen ist. Denn es kann jemand einem anderen zur Dienstleistung verpflichtet und bestimmten Bedingungen unterworfen sein, ohne in dessen Bereich eingegliedert und entsprechend weisungsgebunden zu sein. In vielen Fällen stehen sich Merkmale gegenüber, die sowohl für Selbständigkeit als auch für Unselbständigkeit sprechen.
Für die Beurteilung, ob jemand Arbeitnehmer ist, ist daher nicht der eine oder andere Gesichtspunkt, sondern das Gesamtbild des Beschäftigungsverhältnisses maßgebend. Die für und gegen die Unselbständigkeit sprechenden Merkmale müssen gegeneinander abgewogen werden; die jeweils gewichtigeren geben den Ausschlag. Die Anzahl der einzelnen Merkmale ist dagegen ohne Bedeutung.
Beispiel:
Ein Reisevertreter R vertreibt Artikel im Namen und für Rechnung des Geschäftsherrn G. Der Umfang der Tätigkeit ist in das Ermessen des Vertreters gestellt, kein Mindestumfang, keine feste Arbeitszeit. Zuweisung eines bestimmten Bezirks; Provision nur bei tatsächlicher Vermittlung von Geschäften; keine Urlaubsregelung. Es liegen nur Merkmale für Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit vor. Die Zuweisung eines festen Bezirks ist steuerlich unspezifisch. R erzielt Einkünfte aus § 15 EStG.
Beispiel:
Die Situation ist wie im vorherigen Beispiel geschildert, aber R erhält ein mäßiges Fixum. Die Merkmale der Selbständigkeit dominieren nach wie vor. Ein mäßiger Fixum schließt die Selbständigkeit nicht aus.
Es ist nicht entscheidend, ob ein schriftlicher Dienstvertrag vorliegt und ob die Person in diesem Vertrag als „Arbeitnehmer“ oder „Angestellter“ bezeichnet ist. Gleichwohl kann es in Grenzfällen auch auf den Vertragswillen der Beteiligten ankommen. Entscheidend ist stets die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses.
Beispiel:
Ein Steuerpflichtiger, der nach einer schriftlichen Vereinbarung als sogenannter „freier Mitarbeiter“ bezeichnet wird, in Wirklichkeit aber weisungsgebunden und eingegliedert ist, ist Arbeitnehmer.