Ein Unternehmen ist ein System, das in seine Umwelt eingebunden ist. In dieser Umwelt gibt es unterschiedliche Gruppen, die vielfältige Ansprüche in Form von Interessen und Rechten an das Unternehmen stellen und deshalb Anspruchsgruppen oder Stakeholder genannt werden. Stakeholder sind wörtlich Personen, die „stakes“ (Spieleinsätze) „halten“.
Stakeholder können dementsprechend den unternehmerischen Handlungsspielraum und letztlich den Unternehmenserfolg beeinflussen. Dabei unterhalten die Stakeholder nicht nur bilaterale (zweiseitige) Beziehungen zu dem Unternehmen; die verschiedenen Gruppierungen sind auch auf vielfältige Weise untereinander vernetzt.
Unterteilung der Stakeholder bzw. Anspruchsgruppen
Die häufigste Unterteilung ist die in Anspruchsgruppen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, man unterscheidet demzufolge interne und externeAnspruchsgruppen.
Gelegentlich werden die Anspruchsgruppen auch nach den Umweltsphären eines Unternehmens in fünf Hauptkategorien eingeteilt:
Unternehmensinterne ökonomische Anspruchsgruppen:
Eigentümer
Management
Mitarbeiter
Untenehmensexterne ökonomische Anspruchsgruppen:
Kunden
Lieferanten
Kapitalgeber
Gesellschaftliche Anspruchsgruppen:
Staat
Medien
Kirchen
Konsumentenorganisationen
Anspruchsgruppen des Ökosystems:
Natur- und Umweltschutzgruppen
Anspruchsgruppen des technologischen Umfelds:
Universitäten
Erfinder
Welche Konflikte können zwischen Stakeholdern entstehen?
Wie auch immer unterteilt wird – alle Anspruchsgruppen stellen Ansprüche an das Unternehmen, die miteinander konkurrieren und sich zum Teil widersprechen (konkurrierende Ziele). Das Grundproblem, das das normative Management lösen soll, ist gerade die Uneinigkeit der verschiedenen Interessengruppen eines Unternehmens darüber, wer den Nutzen des unternehmerischen Handelns erhalten und wer dessen Kosten tragen soll.
Oberstes Ziel des normativen Managements muss es daher sein, einen Konsens zwischen den Ansprüchen der Interessengruppen zu schaffen – das heißt eine die wichtigsten Anspruchsgruppen befriedigende Antwort auf die Frage zu geben, welche Werte für wen geschaffen werden sollen. Dass eine solche Konsensschaffung nicht einfach ist, ist leicht vorstellbar.
Insbesondere die gesellschaftlichen und ökologischenGruppen haben in den letzten Jahren enorm an Einfluss gewonnen. Ein Beispiel hierfür ist das Unternehmen Shell, dessen Plan den Öltank Brent Spar in der Nordsee zu versenken durch Greenpeace und einen resultierenden medialen Aufruhr verhindert wurde.
Dies zeigt die fatalen Folgen, die für ein Unternehmen entstehen können, wenn gewisse Ansprüche bzw. gewisse Anspruchsgruppen ignoriert werden. Andererseits kann die Bereitschaft, auf gesellschaftliche und ökologischeForderungen einzugehen, kurzfristig die Gewinne schmälern, was natürlich die Unternehmenseigentümer nicht freut.
Wie kann das Management die Konflikte zwischen Stakeholdern lösen?
Welche Interessen gehen vor? Wie kann dieser Interessenkonflikt gelöst werden? Wie kann Konsens geschaffen werden?
Oft dadurch, dass das Unternehmen eine langfristige Perspektive entwickelt. Denn langfristig kann die Befriedigung gesellschaftlicher und ökologischer Forderungen das Image des Unternehmens fördern und die Gewinne stabilisieren und erhöhen, auch wenn sie kurzfristig wegen der erhöhten Ausgaben für ökologische und gesellschaftliche Interessen schrumpfen.
Früher war das erste unternehmerische Ziel die Gewinnmaximierung. Durch hohe Gewinne wurde nach dieser Sichtweise ein Unternehmen für tatsächliche und potenzielle Eigenkapitalgeber (Shareholder) interessant. Denn ein hoher Gewinn oder ein hoher freier Cashflow und eine Steigerung des materiellen Unternehmenswerts ermöglichen eine hohe Verzinsung des Eigenkapitals – das heißt hohe Dividendenzahlungen oder Ausschüttungen an die Eigentümer beziehungsweise hohe Steigerungen des materiellen Unternehmenswerts (wie er sich z. B. im Aktienkurs bei emissionsfähigen Unternehmen ausdrückt).
Diese eindimensionale Sicht der Daseinsberechtigung von Unternehmen genügt heute nicht mehr. In vielen Unternehmen wird dieses eindimensionale Gewinnmaximierungsprinzip durch ein mehrdimensionales Nutzenmaximierungsprinzip abgelöst, nach dem möglichst viele Interessengruppen (Stakeholder) Nutzen aus dem Wirtschaften des Unternehmens ziehen sollen.
Beispiele
Beispiel 1:
Anspruchs– und Bezugsgruppen (Stakeholder) stellen die unterschiedlichsten Erwartungen an die Unternehmen. Zu möglichen Anspruchsgruppen zählen unter anderem der Staat, die lokalen Behörden und die allgemeine Öffentlichkeit.
Was sind Beispiele für Forderungen der jeweiligen Anspruchsgruppen an ein Unternehmen?
Mögliche Ansprüche des Staats (einschließlich lokaler Behörden) und der allgemeinen Öffentlichkeit an ein Unternehmen sind:
Steuern
Sicherung der Arbeitsplätze
Freiwillige Sozialleistungen
Positive Beiträge zur Infrastruktur
Einhaltung von Rechtsvorschriften und Normen
Teilnahme an der politischen Willensbildung
Beiträge für kulturelle, wissenschaftliche und bildende Institutionen
Erhaltung einer lebenswerten Umwelt
Beispiel 2:
Zu den Anspruchsgruppen eines Unternehmens gehören unter anderem auch die Konkurrenten. Diese erheben Anspruch auf fairen oder konstruktiven Wettbewerb. Die Konsequenzen für die Beteiligten bei destruktivem Wettbewerb können teilweise fatale Folgen haben.
Was ist ein mögliches Beispiel für die negativen Konsequenzen von destruktivem Wettbewerb?
Beim destruktiven Wettbewerb handelt es sich um kontraproduktive Marketing-Anstrengungen wie z. B. kurzfristige Preis- und Leistungszugeständnisse, Dumpingpreise und Provokation seitens starker Konkurrenten.
Mögliche Beispiele für die problematische Natur des destruktiven Wettbewerbs sind folgende:
Ein Unternehmen geht pleite, weil es mit den Dumpingpreisen der Konkurrenz nicht mithalten kann. Tausende Mitarbeiter verlieren ihre Arbeitsplätze.
Fluggesellschaften sparen an Wartungskosten ihrer Flugzeuge, um mit den günstigen Flugpreisen der Konkurrenz mitzuhalten. Tausende Menschenleben werden hierdurch gefährdet.
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