Was ist eine strategische Geschäftseinheit?

Eine strategische Geschäftseinheit (SGE) bildet als eigenständige Einheit eine Produkt-Markt-Kombination. SGEs werden auch Business Units (BU) genannt und sind abzugrenzen von strategischen Geschäftsfeldern (SGF).

Größere Unternehmen sind meist auf mehreren Märkten mit mehreren Produktgruppen tätig. Um für jeden einzelnen dieser Märkte bzw. für jede Produktgruppe die richtige Strategie zu entwickeln, ist es sinnvoll, solche Unternehmen in strategische Geschäftseinheiten einzuteilen und dafür jeweils eigene Geschäftsbereichsstrategien zu entwickeln.

Eine strategische Geschäftseinheit ist eine Produkt-Markt-Kombination, die sich von anderen SGEs des gleichen Unternehmens deutlich durch besondere marktbezogene Eigenschaften oder Marktgesetzmäßigkeiten unterscheidet. Eine SGE ist also quasi ein Unternehmen im Unternehmen.

Sie ist ein weitgehend selbständiger Bereich, der unabhängig von anderen SGEs handelt. Sie ist als Wettbewerber im Markt vertreten und nicht in erster Linie als interner Zulieferer tätig. Die abgegrenzten Geschäftseinheiten stimmen oft nicht mit organisatorischen Einheiten überein.

Beispiel:

Ein Unternehmen ist divisional nach Produktbereichen organisiert, z. B. in die Divisionen Kraftfahrzeuge und Flugzeuge. Innerhalb dieser Divisionen unterscheidet es jeweils zwei SGEs: Personenkraftwagen und Lastkraftwagen, Großraumflugzeuge und kleine, wendige Spezialflugzeuge für Vermessungszwecke.

Die primäre Organisationsstruktur (im Beispiel divisional) wird also organisatorisch oft überlagert durch eine sekundäre Organisationsstruktur (die SGE-Struktur).

Was regeln Geschäftsbereichsstrategien?

Für sinnvoll abgegrenzte SGEs kann man jeweils optimal angepasste Geschäftsbereichsstrategien entwickeln. Was regeln diese Geschäftsstrategien jedoch im Gegensatz zur Unternehmensstrategie?

Die Unternehmensstrategie entscheidet:

  • welche strategischen Erfolgspositionen (SEPs) auf Unternehmensebene gebildet werden (möglichst horizontale SEPs, die Synergieeffekte ermöglichen),
  • welche SGEs überhaupt gebildet werden sollen und,
  • welche Produktgruppen diese SGEs verkaufen sollen.

Über die Umsetzung innerhalb der einzelnen SGEs wird in den Geschäftsbereichsstrategien entschieden. Sie sind wettbewerbsorientiert. Für jede einzelne SGE bestimmen sie:

  • welche Marktsegmente diese SGE,
  • mit welchen Produkten (einschließlich welcher Serviceleistungen),
  • bis wann (Termin),
  • über welche Distributionskanäle,
  • bis zu welchem Grad erschließen soll.

Wie können strategische Geschäftseinheiten abgegrenzt werden?

Strategische Geschäftseinheiten können nach verschiedenen Kriterien voneinander abgegrenzt werden.

Beispiel:

Ein Beleuchtungsunternehmen kann:

  • drei SGEs nach Produktbereichen bilden: Halogenlampen, Energiesparlampen und Speziallampen,
  • könnte seine SGEs aber auch nach den drei Hauptzielgruppen abgrenzen: Lampen für Privatleute, Industrieunternehmen und Behörden.

Zur Abgrenzung einer strategischen Geschäftseinheiten können neben Produkten und Kundengruppen auch bestimmte Kundenprobleme, Lösungstechnologien und Absatzwege herangezogen werden, entweder alternativ zueinander oder miteinander kombiniert.

Beispiel für eine kombinierte Abgrenzung einer strategische Geschäftseinheit:

  • Eine SGE eines Elektrogeräteherstellers fertigt Bodenstaubsauger an (Produkt und Technologie), die über den Groß- und Einzelhandel (Absatzweg) an Privathaushalte (Kundengruppen) verkauft werden.
  • Eine andere SGE stellt Dampfreiniger her, die direkt über Außendienstmitarbeiter an Reinigungsunternehmen vertrieben werden.

Wie kann man SGEs sinnvoll voneinander abgrenzen? Dazu müssen eine Reihe von Abgrenzungskriterien erfüllt sein. Im Wesentlichen sind dies:

  • Marktattraktivität und Wettbewerbsposition: Ist einerseits der definierte Markt attraktiv genug (bezüglich Volumen, Potenzial, Konkurrenz usw.)? Und ist andererseits die relative Wettbewerbsposition des Geschäftsbereichs (z. B. Marktanteil, absolute Größe) stark genug, um die Bildung einer eigenen SGE zu rechtfertigen?
  • Marktaufgabe oder Leistungskonzept: Mit welchen Produkten und mit welchen Technologien will die SGE auf welchen Märkten gegenüber welchen Abnehmergruppen auftreten? Die Marktaufgabe muss grundsätzlich unabhängig von der einer anderen SGE sein.
  • Auf welche strategischen Wettbewerbsvorteile kann das Unternehmen verglichen mit seinen Konkurrenten zurückgreifen? Dies können z. B. kürzere Lieferzeiten, ein schnellerer Service, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis usw. sein. Ein Unternehmen sollte sich klar von seinen Konkurrenten abheben.
  • Die relative Unabhängigkeit der Entscheidungen einer SGE von denen anderer SGEs in Bezug auf kurz- und langfristige Rückwirkungen ist das letzte Abgrenzungskriterium.

Autonomie für eine strategische Geschäftseinheit oder Synergien auf Unternehmensebene?

Die Definition und Bildung strategischer Geschäftseinheiten ist auch heute eine der zentralen Aufgaben der strategischen Unternehmensführung. Ganz wichtig: Es gibt kein Patentrezept zur Bildung strategischer Geschäftseinheiten. Zwei Anforderungen an die SGE-Abgrenzung sind gleichzeitig zu erfüllen:

  • Einerseits sollen die einzelnen SGEs möglichst autonom sein bis zur vollen Gewinn-Verlust-Verantwortung für alle SGE-Aktivitäten.
  • Andererseits darf die Autonomie der einzelnen SGEs aber nicht dazu führen, dass Eigenverantwortung zum Selbstzweck wird und gemeinsame Stärken des Gesamtunternehmens und Synergien wie z. B. zentrale Einkaufsorganisation oder Informationstechnologien unnötigerweise einem „Spartenegoismus“ geopfert werden.

Für die Gesamtunternehmensleitung steht im Vordergrund, dass langfristige Entscheidungen zu einer sinnvollen, optimalen Kombination von SGEs führen sollten. Dafür gilt es, Autonomie und Synergien gleichermaßen anzustreben.

Beispiel:

Das gleichzeitige Streben nach Autonomie der einzelnen SGEs und nach Synergie durch SGE-übergreifende, zentrale Erledigung bestimmter Funktionen kann z. B. in einem Gastronomiekonzern zu folgender Verteilung der Einkaufsfunktionen führen:

  • Von einer zentralen Stelle werden solche Einkaufsfunktionen getätigt, die für alle drei Geschäftseinheiten Restauration, Konsumgüter und Hotellerie eine Vorzeigefunktion haben, wie dies beim Einkauf anspruchsvoller Nahrungsmittel (z. B. Speiseeis, Lachs) der Fall ist.
  • Für die Beschaffung strategisch weniger bedeutsamer Nahrungsmittel aber sind die einzelnen SGEs selbst verantwortlich.

Im Spannungsfeld zwischen SGE-Autonomie und Unternehmenssynergien legte man in den 70er Jahren den Schwerpunkt auf die durch Autonomie erzielbaren Vorteile. Heute bilden dagegen die gegenseitigen Verknüpfungen zwischen den SGEs einen wesentlichen Hauptansatzpunkt der Diskussion.

Solche Verflechtungen zweier oder mehrerer SGEs können sich nicht nur auf die gemeinsame Ressourcennutzung beziehen (z. B. Entwicklung, Einkauf), sondern auch auf die Leistungserstellung (z. B. Bezug von Vorleistungen aus einer anderen SGE) oder auf die Marktleistung (z. B. gleiche Abnehmergruppe zweier SGEs).

Durch Verflechtung mehrerer SGEs gemeinsame Fähigkeiten auszubauen und zu nutzen, ist heute das Hauptziel der bereichsübergreifenden (horizontalen) (Gesamt-)Unternehmensstrategie in diversifizierten Unternehmen.

Beispiel:

So nutzt der Konzern Procter & Gamble mit seinen grundsätzlich verschiedenen Produktbereichen Papiertüchern und Windeln ein gemeinsames Distributions- und Verkaufssystem. Mit dieser Zentralisierung der Absatzfunktion konzentriert sich Procter & Gamble in der Unternehmensstrategie auf ein starkes Konsumgütermarketing.

Man kann diese Funktion auch als die Kernfähigkeit bezeichnen, die Procter & Gamble gegenüber der Konkurrenz auszeichnet und die auch vom Markt durch eine höhere Rendite belohnt wird. Porter geht in einer Studie so weit, solche Horizontalstrategien als den eigentlichen Kern der Unternehmensstrategie zu bezeichnen (Porter, Corporate Strategy, 1987, S. 43 – 59).

Ohne Nutzung der Verflechtungen durch Horizontalstrategien zwischen verschiedenen SGEs gibt es nach den Erkenntnissen seiner Studie keine ökonomische Rechtfertigung für ein diversifiziertes Unternehmen. Die Diskussion über Kernfähigkeiten (Kernkompetenzen) wird seit den 80er Jahren intensiv geführt.

Ein weiterer Gesichtspunkt muss bei der Abgrenzung von SGEs beachtet werden: Die einzelnen SGEs und das Gesamtunternehmen müssen führbar bleiben.

Bei der Aufteilung der Unternehmensaktivitäten in Produkt-Markt-Kombinationen kann leicht eine Vielzahl mögliches Geschäftsbereiche entstehen, die aus Gesamtunternehmenssicht kaum mehr sinnvoll zu führen sind. Das eigentliche Ziel der SGE-Bildung, die Reduzierung der Komplexität, wird dadurch praktisch ins Gegenteil verkehrt. Hier empfiehlt es sich dann, mehrere kleine SGEs zu größeren SGEs zusammenzufassen.

Das Wichtigste zur strategischen Geschäftseinheit in Kürze

Strategische Geschäftseinheiten (SGE) bilden die Produkt-Markt-Strategien eines Unternehmens ab. Sie weisen eigene Marktgesetzmäßigkeiten auf und sind als eigenständige Einheiten Gegenstand unternehmerischer Entscheidungen.

Strategische Geschäftseinheiten müssen so abgegrenzt werden, dass sinnvolle, relativ unabhängige Führungseinheiten entstehen,

  • die eine eigene unternehmerische Verantwortung tragen,
  • auf attraktiven Märkten durchsetzungsfähig sind,
  • sich durch strategische Wettbewerbsvorteile von der Konkurrenz abheben und
  • eine Marktaufgabe erfüllen, die sich grundsätzlich von der anderer SGEs innerhalb des Unternehmens unterscheidet.

Damit die SGEs optimal angepasst in ihren Märkten auftreten, wird für jede SGE eine Geschäftsbereichsstrategie entwickelt, die über den konkreten Marktauftritt detailliert Auskunft gibt.

Strategische GeschäftseinheitEine bestimmte Autonomie der SGEs wird auch heute noch grundsätzlich als Vorteil angesehen. Synergien, die durch die Nutzung gemeinsamer Kernfähigkeiten durch mehrere SGEs bewirkt werden können, dürfen aber nicht vernachlässigt werden. Die Unternehmensstrategie übernimmt als Horizontalstrategie dabei eine Koordinationsaufgabe.

Aufgaben

  1. Nach welchen Kriterien wurden die folgenden SGEs gebildet, wo setzte die SGE-Abgrenzung an: SGE Direktvertrieb vs. SGE Händlervertrieb, SGE Kunststoffverpackungen vs. SGE essbare Verpackungen, SGE Kühlgeräte vs. SGE Waschmaschinen, SGE Privatkunden vs. SGE Geschäftskunden?
  2. Wie lässt sich das Verhältnis mehrerer SGEs innerhalb eines Unternehmens zueinander beschreiben?
  1. Die SGEs Direktvertrieb und Händlervertrieb werden nach dem Kriterium des Absatzwegs abgegrenzt. Die Unterscheidung der SGEs Kunststoffverpackungen und essbare Verpackungen ist produktbezogen (welche Produkte?) bzw. technologiebezogen (welches Ausgangsmaterial?). Die SGEs Kühlgeräte und Waschmaschinen setzen bei der Unterscheidung verschiedener Produkte an. Die SGEs Privatkunden und Geschäftskunden werden nach den Kundengruppen unterschieden.
  2. Die SGEs innerhalb eines Unternehmens sollen ihre Marktaufgabe auf ihren abgegrenzten Märkten grundsätzlich unabhängig voneinander erfüllen. Sie sollen aber in solchen Bereichen zusammenarbeiten, in denen sich durch die gemeinsame Ausbildung und Nutzung SGE-übergreifender Kernfähigkeiten Synergieeffekte ergeben. Die relativ unabhängigen SGE-Strategien müssen also durch übergreifende Horizontalstrategien auf Gesamtunternehmensebene ergänzt und harmonisiert werden.

Literaturhinweise

  1. Hinterhuber, Hans (1996): Strategische Unternehmensführung: Strategisches Denken: Vision, Unternehmenspolitik, Strategie, 6. Aufl., Berlin/New York 1996.