Autonomie für eine strategische Geschäftseinheit oder Synergien auf Unternehmensebene?
Die Definition und Bildung strategischer Geschäftseinheiten ist auch heute eine der zentralen Aufgaben der strategischen Unternehmensführung. Ganz wichtig: Es gibt kein Patentrezept zur Bildung strategischer Geschäftseinheiten. Zwei Anforderungen an die SGE-Abgrenzung sind gleichzeitig zu erfüllen:
- Einerseits sollen die einzelnen SGEs möglichst autonom sein bis zur vollen Gewinn-Verlust-Verantwortung für alle SGE-Aktivitäten.
- Andererseits darf die Autonomie der einzelnen SGEs aber nicht dazu führen, dass Eigenverantwortung zum Selbstzweck wird und gemeinsame Stärken des Gesamtunternehmens und Synergien wie z. B. zentrale Einkaufsorganisation oder Informationstechnologien unnötigerweise einem „Spartenegoismus“ geopfert werden.
Für die Gesamtunternehmensleitung steht im Vordergrund, dass langfristige Entscheidungen zu einer sinnvollen, optimalen Kombination von SGEs führen sollten. Dafür gilt es, Autonomie und Synergien gleichermaßen anzustreben.
Beispiel:
Das gleichzeitige Streben nach Autonomie der einzelnen SGEs und nach Synergie durch SGE-übergreifende, zentrale Erledigung bestimmter Funktionen kann z. B. in einem Gastronomiekonzern zu folgender Verteilung der Einkaufsfunktionen führen:
- Von einer zentralen Stelle werden solche Einkaufsfunktionen getätigt, die für alle drei Geschäftseinheiten Restauration, Konsumgüter und Hotellerie eine Vorzeigefunktion haben, wie dies beim Einkauf anspruchsvoller Nahrungsmittel (z. B. Speiseeis, Lachs) der Fall ist.
- Für die Beschaffung strategisch weniger bedeutsamer Nahrungsmittel aber sind die einzelnen SGEs selbst verantwortlich.
Im Spannungsfeld zwischen SGE-Autonomie und Unternehmenssynergien legte man in den 70er Jahren den Schwerpunkt auf die durch Autonomie erzielbaren Vorteile. Heute bilden dagegen die gegenseitigen Verknüpfungen zwischen den SGEs einen wesentlichen Hauptansatzpunkt der Diskussion.
Solche Verflechtungen zweier oder mehrerer SGEs können sich nicht nur auf die gemeinsame Ressourcennutzung beziehen (z. B. Entwicklung, Einkauf), sondern auch auf die Leistungserstellung (z. B. Bezug von Vorleistungen aus einer anderen SGE) oder auf die Marktleistung (z. B. gleiche Abnehmergruppe zweier SGEs).
Durch Verflechtung mehrerer SGEs gemeinsame Fähigkeiten auszubauen und zu nutzen, ist heute das Hauptziel der bereichsübergreifenden (horizontalen) (Gesamt-)Unternehmensstrategie in diversifizierten Unternehmen.
Beispiel:
So nutzt der Konzern Procter & Gamble mit seinen grundsätzlich verschiedenen Produktbereichen Papiertüchern und Windeln ein gemeinsames Distributions- und Verkaufssystem. Mit dieser Zentralisierung der Absatzfunktion konzentriert sich Procter & Gamble in der Unternehmensstrategie auf ein starkes Konsumgütermarketing.
Man kann diese Funktion auch als die Kernfähigkeit bezeichnen, die Procter & Gamble gegenüber der Konkurrenz auszeichnet und die auch vom Markt durch eine höhere Rendite belohnt wird. Porter geht in einer Studie so weit, solche Horizontalstrategien als den eigentlichen Kern der Unternehmensstrategie zu bezeichnen (Porter, Corporate Strategy, 1987, S. 43 – 59).
Ohne Nutzung der Verflechtungen durch Horizontalstrategien zwischen verschiedenen SGEs gibt es nach den Erkenntnissen seiner Studie keine ökonomische Rechtfertigung für ein diversifiziertes Unternehmen. Die Diskussion über Kernfähigkeiten (Kernkompetenzen) wird seit den 80er Jahren intensiv geführt.
Ein weiterer Gesichtspunkt muss bei der Abgrenzung von SGEs beachtet werden: Die einzelnen SGEs und das Gesamtunternehmen müssen führbar bleiben.
Bei der Aufteilung der Unternehmensaktivitäten in Produkt-Markt-Kombinationen kann leicht eine Vielzahl mögliches Geschäftsbereiche entstehen, die aus Gesamtunternehmenssicht kaum mehr sinnvoll zu führen sind. Das eigentliche Ziel der SGE-Bildung, die Reduzierung der Komplexität, wird dadurch praktisch ins Gegenteil verkehrt. Hier empfiehlt es sich dann, mehrere kleine SGEs zu größeren SGEs zusammenzufassen.