Der Prokurist ist der Inhaber der Prokura. Als Prokura bezeichnet das HGB die umfangreichste rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht, die für Kaufleute vorgesehen ist.
Der Grund für die Existenz von Prokuristen ist im Wesentlichen, dass die in §§ 164 ff. BGB vorgesehenen Regeln zur Stellvertretung im Handelsverkehr völlig unpraktikabel sind. Gemäß BGB kann der Vertreter jemanden nur in dem Umfang vertreten, in dem derjenige ihn auch bevollmächtigt hat.
Dies ist im Handelsverkehr quasi unanwendbar, da ein Unternehmer meist nicht wissen kann, welche Geschäfte er in Zukunft tätigen muss. Aber auch den Geschäftspartnern wird nicht zugemutet, den Umfang einer Vertretungsmacht ständig zu überprüfen.
In diesem Sinne ist die Prokura eine besondere Vertretungsmacht, da ihr Umfang in §§ 48 ff. HGB gesetzlich genau geregelt ist.
Wie wird jemand Prokurist?
Gemäß § 48, Abs. 1 HGB kann jemand nur durch ausdrückliche Erklärung des Inhabers des Handelsgeschäfts oder seinem gesetzlichen Vertreter zum Prokuristen ernannt werden. Das Gesetz verlangt für die Erklärung keine Schriftform. Eine mündliche Erklärung reicht aus.
Mit einer ausdrücklichen Erklärung meint das HGB, dass ganz eindeutig sein muss, welche Vollmacht der Inhaber des Handelsgeschäft oder sein gesetzlicher Vertreter im Sinn haben. Die Erklärung muss unmissverständlich sein. Erklärt der Inhaber eines Handelsgeschäfts seinem Mitarbeiter, dass dieser nun sein Vertreter sein, so ist dies nicht ausreichend. Die Erklärung muss ausdrücklich sein. Eine wirksame Erklärung könnte beispielsweise wie folgt aussehen: „Mitarbeiter X, ab heute sollst du mein Prokurist sein.“
Wen das HGB mit Inhaber des Handelsgeschäfts meint, ist meistens eindeutig. Wenn Robert eine Eisdiele, die mit der Handelsfirma „Robert Eisdiele e.K.“ in das Handelsregister eingetragen ist, betreibt, so ist er der Inhaber des Handelsgeschäfts. Einen Mitarbeiter kann er durch ausdrückliche Erklärung zum Prokuristen ernennen.
Wer ist allerdings mit gesetzlicher Vertreter gemeint? Ganz wichtig zu verstehen ist, dass hiermit nicht der Prokurist gemeint ist. Ein Prokurist kann niemand anderem Prokura erteilen. Das HGB meint hiermit z. B. den Geschäftsführer einer GmbH oder den Vorstand einer AG.
Eine GmbH ist eine juristische Person, die sich nicht selbst vertreten kann. Zur gesetzlichen Vertretung der GmbH ist der Geschäftsführer ermächtigt. Der Geschäftsführer könnte also als gesetzlicher Vertreter der GmbH einen Mitarbeiter zum Prokuristen ernennen. Genauso sieht es mit der AG aus.
Welche Arten der Prokura gibt es?
Das HGB sieht drei Arten der Prokura vor. Diese sind die Einzelprokura, Gesamtprokura und Filialprokura.
Bei der Einzelprokura ist der Prokurist ermächtigt, den Kaufmann vollkommen alleine zu vertreten.
Bei der Gesamtprokura gemäß § 48, Abs. 2 HGB müssen alle Prokuristen an den Entscheidungen im Namen des Kaufmanns beteiligt sein. Eine Beteiligung ist gegeben, wenn alle Prokuristen gemeinsam entscheiden, im Voraus dem Plan eines Prokuristen zustimmen oder den Plan im Nachhinein genehmigen.
Bei der Filialprokura ist die Vertretungsmacht auf eine Filiale bzw. Niederlassung des gesamten Unternehmens beschränkt. Die Erteilung einer solchen Prokura ist natürlich nur möglich, wenn das Unternehmen überhaupt mehrere Niederlassungen hat. Außerdem muss die Niederlassung gemäß § 50, Abs. 3 HGB unter einer eigenen Firma geführt werden.
Welche Handlungen darf ein Prokurist durchführen?
Gemäß § 49, Abs. 1 HGB ist der Prokurist zu allen gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften, die das Betreiben eines Handelsgewerbes mit sich bringt, ermächtigt. Grundsätzlich darf der Prokurist quasi alles, außer im Gesetz sind Einschränkungen formuliert.
Die Formulierung „eines Handelsgewerbes“ ist bewusst allgemein gehalten. Dies steht in klarer Abgrenzung zur Handlungsvollmacht gemäß § 54, Abs. 1 HGB, welche den Bevollmächtigten nur zum Betrieb „eines derartigen Handelsgewerbes ermächtigt“. Ist jemand Prokurist in einer Schreinerei, so könnte er trotzdem rechtmäßig einen Sportwagen oder einen Wagenheber kaufen, obwohl dies nichts mit dem Betrieb einer Schreinerei zu tun hat. Ein Handlungsbevollmächtigter könnte dies nicht tun.
Darüber hinaus kann der Prokurist auch außergewöhnliche Rechtsgeschäfte tätigen. Dies umfasst z. B. die Aufnahme eines Kredits, das Entlassen von Personal oder das Errichten einer neuen Filiale.
Gemäß § 49, Abs. 2 HGB darf der Prokurist keine Grundstücke verkaufen oder belasten, außer ihm wurde besonders die Erlaubnis erteilt. Sehr wohl darf er aber stets Grundstücke kaufen. Außerdem darf der Prokurist den Betrieb nicht still legen, da dies nicht mehr zum Betrieb eines Handelsgewerbes (§ 49, Abs. 1 HGB) gehört, und er darf den Jahresabschluss nicht unterzeichnen (§ 245 HGB).
Schließlich kann der Prokurist gemäß § 181 BGB nicht mit sich selbst kontrahieren. Dies meint, dass er kein Rechtsgeschäft im eigenen Namen und im Namen des Inhabers des Handelsgewerbes vornehmen darf. Ein solches Rechtsgeschäft läge beispielsweise vor, wenn der Prokurist versucht ein Grundstück des Kaufmanns an sich selbst zu verkaufen oder, wenn er versucht sein eigenes Gehalt zu erhöhen.
Gemäß § 50, Abs. 1 HGB sind jegliche Beschränkungen der Prokura im Außenverhältnis unwirksam. Der Grund hierfür ist, dass der Rechtsverkehr geschützt werden soll, indem er sich auf den gesetzlichen Umfang der Prokura verlassen kann und entsprechend handelt.
Der Kaufmann kann die Prokura im Innenverhältnis beschränken. Wenn der Prokurist sich nicht an die interne Weisung hält, verletzt er einen Vertrag, wodurch dem Kaufmann ihm gegenüber ein Schadensersatzanspruch besteht. Im Außenverhältnis entfaltet die Anweisung jedoch keine Wirkung. Kauft der Prokurist beispielsweise einen Sportwagen für 100.000 €, obwohl der Kaufmann ihm aufgetragen hat maximal 50.000 € auszugeben, so ist der Kaufvertrag dennoch wirksam, da der Autohändler als Dritter von der internen Weisung unberührt bleibt.
Muss ein Prokurist in das Handelsregister eingetragen werden?
Mit einem Blick auf § 53 HGB können wir diese Frage leicht beantworten. Sowohl die Erteilung der Prokura, als auch das Erlöschen der Prokura sind stets vom Inhaber des Handelsgewerbes in das Handelsregister einzutragen.
Die Prokura ist allerdings ab dem Moment der Erteilung gültig. Der Eintrag entfaltet lediglich eine deklaratorische bzw. rechtsbezeugende Wirkung.
Wann erlöscht die Prokura?
Die Prokura endet, wenn der Prokuristentlassen wird, stirbt oder, wenn der Kaufmann die Prokura gemäß § 52, Abs. 1 HGBwiderruft.
Wird der Widerruf der Prokura nicht in das Handelsregister eingetragen oder bekannt gemacht, so ist die Prokura gegenüber unwissenden Dritten weiterhin wirksam.
Was verdient ein Prokurist?
Da ein Prokurist meist sehr viel Verantwortung trägt, wird er entsprechend gut entlohnt. Generell hängt das Einkommen jedoch besonders stark von den Faktoren Branche, Region und Unternehmensgröße ab. Gemäß Daten aus dem Jahr 2012 verdienen Prokuristen im Durchschnitt ca. 60.000 – 100.000 € jährlich.
Die höchsten Gehälter werden in den Bundesländern Hessen, Baden-Württemberg und Bayern gezahlt. Die höchsten Gehälter werden in der Chemie- und Verfahrenstechnik, der Autoindustrie und im Maschinenbau gezahlt.
Da der Beruf ein lukratives Einkommen bietet, ist es für Mitarbeiter ggf. sehr begehrenswert zum Prokuristen ernannt zu werden. Dementsprechend sind Interessenkonflikte nicht auszuschließen. Dies sollte man im Hinterkopf behalten, wenn z. B. fraglich ist, welche Art der Vollmacht erteilt wurde.
Beispiele
Beispiel 1:
Hans betreibt seit mehreren Jahren erfolgreich eine Schreinerei. Er firmiert mit „Hans Schreinerei e.K.„. Hans erzielt einen Jahresumsatz i. H. v. 2.000.000 € und beschäftigt sieben Mitarbeiter. Da Hans in den Urlaub fährt, ruft er seinem Mitarbeiter Peter zu: „Peter, ab heute bist du mein Prokurist. Rechtsgeschäfte ab einer Höhe von 40.000 € sprichst du bitte mit mir ab.“
Kurz nachdem Hans weg ist, nimmt Peter einen Kredit i. H. v. 30.000 € auf. Als nächstes kauft er ein Haus für die Schreinerei zu einem Preis von 250.000 €. Schließlich entscheidet er noch sein eigenes Gehalt im Namen von Hans zu verdoppeln, da er es sich nach der ganzen Anstrengung verdient hat.
Die Erteilung der Prokura ist wirksam, da sie von Hans ausdrücklich erteilt wurde. Dies entspricht der Erfordernis des § 48, Abs. 1 HGB.
Gemäß § 49, Abs. 1 HGB umfasst die Prokura alle gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäfte, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Hierzu gehört auch die Aufnahme eines Kredits.
Zu § 49, Abs. 1 HGB gehört auch der Kauf eines Hauses. Die Beschränkung der Prokura durch Hans auf 40.000 € entfaltet im Außenverhältnis gemäß § 50, Abs. 1 HGB keine Wirkung. Der Kaufvertrag ist also wirksam. Peter muss sich allerdings im Innenverhältnis gegenüber Hans für die Vertragspflichtverletzung verantworten.
Gemäß § 181 BGB darf der Prokurist keine Rechtsgeschäfte im eigenen Namen und im Namen des Kaufmanns vornehmen. Hier handelt Peter in eigenem Namen und im Namen von Hans. Die Gehaltserhöhung ist dementsprechend unwirksam.
Beispiel 2:
Jörg betreibt eine der erfolgreichsten Pommesbuden in Düsseldorf. Die Jörg Pommes GmbH erzieht einen jährlichen Gewinn i. H. v. 900.000 € und hat zwölf Vollzeitangestellte. Jörg möchte sich zwei Monate aus dem Geschäft zurückziehen, um Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Er schreibt einen Zettel an seinen Mitarbeiter Yannick und legt diesen auf seinen Schreibtisch. Auf dem Zettel steht: „Yannick, ab heute vertrittst du mich bitte für zwei Monate.“
Die Erteilung der Prokura ist unwirksam, da sie nicht, wie in § 48, Abs. 1 HGB verlangt, ausdrücklich erteilt wurde. Der Begriff „Prokurist“ oder „Prokura“ fehlt auf dem Zettel. Insofern ist unklar, welche Art der Stellvertretung gemeint ist. Es wäre hier z. B. auch eine Handlungsvollmachtdenkbar.
Übungsfragen
#1. Was ist Prokura?
#2. Was ist keine Art der Prokura?
#3. Für die Ernennung zum Prokuristen ist die Schriftform zwingend notwendig.
#4. Ein Prokurist kann einem anderen Mitarbeiter des Unternehmens Prokura erteilen.
#5. Welche Handlung darf ein Prokurist nicht durchführen?
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